Freitag, 27. September 2013

Doctor Who und Rausch

Daniel Kullas lesenswertes Buch Leben im Rausch. Evolution, Geschichte, Aufstand setzt sich aus gesellschaftstheoretischer und historischer Perspektive mit Rauschzuständen auseinander. In einem mit "Much bigger on the inside!" betitelten Abschnitt geht er auf die Science Fiction Serie Doctor Who (BBC Wales) ein, in der er ein ästhetisches Spiegelbild von Rauschzuständen zu erkennen meint.

Trips aufgrund relativer Dimensionen im Sternenzelt

Über den Zusammenhang von Rausch und Doctor Who schreibt Kulla:
"Gerade in spekulativen Erweiterungen des wissenschaftlichen Denkens, in der Science Fiction finden sich immer wieder deutliche Hinweise auf den Zusammenhang von Rausch und Erkenntnis. Eine treffende Darstellung von Rausch gibt die britische Fernsehserie Doctor Who, in der für mich die TARDIS – Raumschiff und Zeitmaschine in einem – ein menschliches Gehirn samt präfrontalem Cortex repräsentiert, die Hauptfigur, der 'Doctor', das Bewußtsein oder Ich und die Reisen in Raum und Zeit den Rausch, in den Gehirn und Bewusstsein gelegentlich eintreten.
TARDIS heißt 'Time and relative dimension in space', für die deutschsprachige Fassung des Fernsehfilms von 1996 übersetzt als 'Trips aufgrund relativer Dimensionen im Sternenzelt'. Sie ist eher ein verrückter Nicht-Ort als eine Maschine. Wie es sich für ein Gehirn gehört, ist die TARDIS, was auch fast alle, die sie zum ersten Mal betreten, erstaunt ausrufen, 'much bigger on the inside!' (...) Sie ist drinnen beinahe unendlich, genau wie das Modell von der einem Gehirn bekannten Welt, das in jedem Gehirn vorhanden ist. Was sich in der TARDIS befindet, existiert in gewisser Weise nicht, so wie die gedanklichen Repräsentationen der Außenwelt im Gehirn." (S. 149-150)
Das Verhältnis zwischen Doctor und TARDIS stünde demnach für jenes zwischen Bewusstsein und Gehirn. "Das Gehirn und sein Bewusstsein treten in Rauschzustände ein, gehen also auf Zeitreisen, typischerweise als Gehirn und Bewußtsein einer weiteren Hauptfigur, deren Rausch die Zeitreisen darstellen." (S. 150)

...die Zukunft/während des Trips

In der TARDIS sind sämtliche Fremdsprachen zu verstehen, zugleich können aus entfernter Zukunft Verwandte in der Gegenwart per Mobiltelefon angerufen werden – und das ohne besondere Vorwahl. Etwa kann "Rose in 'The End of the World' aus der Zukunft/während des Trips ihre Mutter anrufen, die in der Gegenwart verblieben ist/nicht mit ihr tript. Das Gespräch ist seltsam." (S. 150)

Kullas Fazit:
"Nicht nur bei Doctor Who, sondern allgemein in Science Fiction und Populärkultur werden Zeitreisen nach dem Rausch modelliert und folgen dessen Logik. Eine ihrer prinzipiellen Schwierigkeiten, nämlich in der bereisten Vergangenheit Raum einzunehmen, an dem sich schon etwas befindet, also entweder immer Raum zu verdrängen oder das physikalische Gesetz zu verletzen, daß sich nie zwei Körper am selben Ort befinden können, wird dadurch meist übersehen, weil man sich ohnehin nur als in die Vergangenheit projiziert vorstellt, also wie im Rausch (...)" (S. 151)

Daniel Kulla
Leben im Rausch. Evolution, Geschichte, Aufstand
Der Grüne Zweig 285
Werner Pieper & The Grüne Kraft
287 Seiten







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