Freitag, 21. Oktober 2011

Malcolm Tucker

Obwohl nicht von Beginn an so vorgesehen, wurde die Figur des cholerischen schottischen Spin-Doktors Malcolm Tucker in der Politsatire The Thick of it (BBC Two / BBC Four) immer zentraler. Er hat kein politisches Mandat - scheint aber trotzdem der mächtigste Mann in Westminster zu sein.

Die Stärke von The Thick of It ist der Verzicht auf eine allzu personengebundene Kritik an den Vorgängen in Regierungs- und Verwaltungsapparaten. Die Abstraktheit von Herrschaft, die Verselbstständigung einer Verwaltungsmaschinerie und der dadurch beförderte Karrierismus - gerade auf den untersten Sprossen der zu erklimmenden Karriereleiter - werden in der von Armando Iannucci konzipierten Serie exemplarisch und äußerst unterhaltsam vorgeführt.

Im Unterschied zu älteren Political Sitcoms, die sich mit den Geschehnissen in Westminster satirisch beschäftigen - explizit genannt seien Yes Minister (BBC Two) und The New Statesman (ITV / BBC One) -, sind in The Thick of It weder hohe ParteifunktionärInnen noch der Premierminister jemals direkt sichtbar. In der ersten Staffel wird nicht einmal der Name des Premierministers genannt - auch der Name der regierenden Partei bleibt im Dunklen.

Lediglich indirekt wird darauf hingewiesen, dass wir uns in Zeiten der im Abstieg befindlichen New Labour Regierung befinden, die Tucker mit allen Mitteln an der Macht zu halten versucht. Er ist der personifizierte Stellvertreter dieser Macht. Die AutorInnen des TV Tropes Wiki halten diesen Umstand mit gerechtfertigter Verwunderung fest:

"An unelected employee of the Party, Malcolm nonetheless appears to be the most powerful person in government. As the Party's most senior press officer he is responsible for crisis management PR and also acts as an enforcer, ensuring all of the cabinet departments follow the party line. Fiercely loyal to the Party, his overall objective is to keep them in power by any means necessary."(Characters: The Thick of It - TV Tropes)

Die Abwesenheit sichtbarer Parteistrukturen und gewählter Vorgesetzter lässt Tucker quasi allmächtig erscheinen. Tucker schüchtert MitarbeiterInnen und JournalistInnen ein - mitunter setzt er ganze TV-Redaktionen unter Druck. Er kommuniziert stellvertretend für alle Unsichtbaren und er tut dies auf eine cholerische, oftmals sexistische, manchmal homophobe aber auf jeden Fall ständig ausfällige Art.

Die Schimpftiraden des sozialdemokratischen Kommunikators, dessen reales Vorbild Alistair Campbell sein dürfte, verhalfen The Thick of It zu Kultstatus. Auf Youtube finden sich Zusammenschnitte (u.a. hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier), die ausschließlich aus cholerischen Auftritten Tuckers bestehen. Diese scheinen mitunter masochistische Sehnsüchte bei Teilen des Publikums auszulösen. So berichtet der Schauspieler Peter Capaldi, der Malcolm Tucker verkörpert davon, dass Fans ihn bei privaten Begegnungen mitunter darum bitten, sie zu beschimpfen (vgl. "Peter Capaldi: 'People ask me to tell them to #@*! off'" - The Independent, 9. April 2011).

The Thick of It ist nicht zuletzt aufgrund des Verzichts auf den personifizierten korrupten Politiker von der Marke eines Alan B'Stard (The New Statesman – gespielt von Rik Mayall) sehenswert. Die Figur des Malcolm Tucker ist allerdings eine denkbar schlechte Alternative, da sie Projektionen in personifizierte Allmacht fördert und zugleich eine Identifikationsmöglichkeit mit autoritärem Verhalten und dem Parieren vor eben diesem bietet.


1 Kommentar:

  1. Der letzte Satz ist Unsinn: Man identifiziert sich ja auch nicht mit Qualtingers Herrn Karl, wenn man an der Figur etwas politisch festmachen kann/will.

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