Sonntag, 9. Oktober 2011

Manisch, feenhaft, dämonisch, allein unter Männern und aufgrund mysteriöser Umstände schwanger

In derartigen Rollen-, Handlungs- und Figurenkonstellationen finden sich Frauen in Filmen, Fernsehserien, Comics und Videospielen auffällig häufig wieder. Der Feminist Frequency Vlog kritisiert diese und andere Tropen.

Tropen seien, so werden die BetreiberInnen des TV Tropes Wikis nicht müde zu betonen, keinesfalls mit Klischees oder Stereotypen gleichzusetzen. Es handle sich lediglich um häufig auftretende Motive, die an sich noch keinen sexistischen oder rassistischen Charakter hätten. Das es sich diesbezüglich, insbesondere wenn es um geschlechtsspezifische Tropen geht, oftmals um eine von der Realität weit entfernte Wunschvorstellung handelt, arbeitet Anita Sarkeesian - ihres Zeichens Betreiberin von Feminist Frequency - anschaulich heraus.

In Kooperation mit dem Bitch Magazin hat sie insgesamt sechs Kurzvideos zu sexistischen Rollenstereotypen produziert. Die mit Tropes vs. Women betitelte Reihe kritisiert die Wiederkehr der immer gleichen Handlungsstrukturen und Darstellungskonventionen in Filmen, Fernsehserien und Comics.

Das erste Video der Reihe setzt sich mit dem Klischee des manisch-fehenhaft-verträumten Mädchens ("The manic pixie dream girl") auseinander. Selbiges betritt zumeist dann die Bildfläche, wenn heterosexuelle weiße Männer Identitäts- und Sinnkrisen zu bewältigen haben. Beispiele dafür finden sich primär in romantisch-tragisch-komödiatischen Hollywood Filmen, weniger in TV-Formaten.

In Comics und deren TV-Adaptionen finden wir die zweite Trope, die Sarkeesian aufgreift. Starke Frauenfiguren, brutal ermordet um dem Publikum zu signalisieren, dass es jetzt aber wirklich ernst wird. "Women in Refrigerators" rekurriert auf die Comicautorin Gail Simone, die als erste eine systematische Darstellung dieses Phänomens geliefert hat. Die aus dem Comic-Genre stammende Trope hat sich mittlerweile universalisiert. Beispielsweise wurden Libby und Shannon in Lost umgebracht, um die Geschichten zweier Männer interessanter gestalten zu können. Das männliche Gegenüber dieser sexistische Gewalt ästhetisierenden Handlungskonvention ist die "Dead Men Defrosting"-Trope. Während weibliche Figuren nach massiven Gewalterfahrungen das jeweilige Comicuniversum zumeist lebendig oder tot verlassen, kehren die männlichen Kollegen auffällig oft gestärkt zurück (stellvertretend genannt seien hier Superman, Hulk, Captain America und Spiderman).

"The Smurfette Principle" wurde nicht von der Berliner Piratenpartei erfunden - sie haben es nur geklaut (das tun PiratInnen nun mal). Tatsächlich handelt es sich um eine kulturindustriell immer wieder aufs neue reproduzierte und vom Publikum weitgehend akzeptierte Figurenkonstellation, die aus vielen Männern und nur einer einzigen Frau besteht. Klassische Beispiele für dieses Phänomen finden sich in Kinderserien wie The Muppets mit Miss Piggy, Winnie-the-Pooh mit Kenga und natürlich nicht zuletzt in The Smurfs mit Schlumpfine, die dem Prinzip einen Namen gab. Erschaffen wurde Schlumpfine übrigens von Gargamel mit dem Ziel die Schlümpfe zu spalten und zu zerstören. Sie hatte ursprünglich schwarze Haare, ein unauffälliges Kleid und die gleichen Schuhe wie alle anderen Schlümpfe an. Erst Papa Schlumpf verwandelte sie durch Zauberei in ein blondes, Stöckelschuhe tragendes Fashion Victim.
Das Schlumpfine-Prinzip funktioniert genreübergreifend und findet sich sowohl bei Sitcoms wie The Big Bang Theory als auch bei tendenziell linken Nachrichtensatiren wie The Daily Show und 10 O'Clock Live.

Die böse dämonische Verführerin ("The evil demon seductress") ist eine übernatürliche Figur, die Sexualität als Waffe einsetzt. Sie tritt wahlweise als Meerjungfrau, Vampirin oder Sirene in Erscheinung. Ihr Ziel ist es Männer zu quälen, zu töten und (gelegentlich) zu verspeisen. Im Fernsehen wird diese Trope etwa von der Science-Fiction Serie Farscape, dem Battlestar Galactica Remake und bei Buffy the Vampire Slayer aufgegriffen (und das nicht nur einmal!).

Ebenfalls primär im Science Fiction Genre zu Hause ist die mysteriöse Schwangerschaft ("The mystical pregnancy"). The X Files, Xena: Warrior Princess (gleich zwei mal!), Torchwood und Star Trek: The Next Generation – sie alle verwenden diese Trope und reduzieren Frauen damit auf eine biologische Funktion. Die Schwangerschaften sind zudem fast immer Ergebnis äußerer Gewalteinwirkung, meistens durch Aliens oder übernatürliche Wesen.

Im sechsten und letzten Teil ihrer Serie ("The Straw Feminist") setzt sich Sarkeesian mit der Darstellung von Feministinnen - quasi der kulturindustriellen Form von Kritikabwehr - auseinander. Feministische Inhalte werden dabei fast immer verzerrt und simplifiziert dargestellt, bewusst lächerlich gemacht oder absichtlich missverstanden. Feministinnen werden als spröde, autoritäre und Männer unterdrückende Nervensägen gezeichnet. Prägnantestes Beispiel dafür ist Marcy D'Arcy in Married with Children.
Besonders perfide gingen die DrehbuchautorInnen der letzten Staffel von Veronica Mars vor. Sie konstruierten eine feministische Verschwörung, deren Kern eine erfundene Vergewaltigung ist.
Insbesondere im Kinderfernsehen wird gerne suggeriert, es gebe in Bezug auf die Kategorie Geschlecht keine gesellschaftliche Ungleichbehandlungen. Letztlich sind es dann fiktive FeministInnen, denen in diesen patriarchale Verhältnisse suspendierenden Fernsehrealitäten unterstellt wird Diskriminierung herbei zu phantasieren. Durch überzogene Gegenmaßnahmen schaffen sie - das behauptet beispielsweise eine Folge der Powerpuff Girls - Ungleichheit, wo davor eine geschlechteregalitäre Gesellschaft war.

Siehe auch:
Fünf sehenswerte Videos von Feminist Frequency


3 Kommentare:

  1. Da wird vieles richtig hergeleitet, aber der Schluss geht zu weit, so sehr wirkt "Kunst" nun mal nicht auf die Gesellschaft oder ihre Angehörigen; einige Details ignorieren Grundlagen des Erzählens ("mehr Details zu Nebenfiguren"? Ja, sicher) oder sind ganz einfach falsch: In der Muppett-Show gibt es nicht nur Miss Piggy, Penny aus TBBT hat längst eine eigene Frauen-Gruppe, die "feministische Verschwörung" in Veronica Mars läuft nicht ganz so primitiv ab.
    Das Anliegen ist richtig, aber die Argumente sollten noch einmal überarbeitet werden.
    Nebenbei: Natürlich durfte bei den mystischen Schwangerschaften die "Jungfrau" Maria nicht fehlen - passt nicht zu den Beispielen, gehört nicht zum Thema und war trotz des Zwinkerns nicht komisch. Was war noch mal mit dem manic pixie dream girl? Eben.

    AntwortenLöschen
  2. Hallo fernseherkaputt, wäre schön, wenn du noch die Quelle des Originaltextes angeben würdest, dessen Übersetzung hier steht.

    AntwortenLöschen
  3. @Splitter
    Welchen Text meinst du?
    Oder meinst du den ganzen Artikel? - der ist keine Übersetzung sondern eine Rezension der im Text verlinkten Videos (mit kleinen Ergänzungen meinerseits).

    AntwortenLöschen