Dienstag, 21. August 2012

"Plötzlich fett" oder: Dünn ist das neue dick

Die Bodyswitch Komödie Plötzlich fett veranschaulicht gut, was mit "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint" gemeint ist.

Koproduziert von ORF und Sat.1, finanziert mit Geldern des Fernsehfonds Austria sowie des Filmfonds Wien, tritt der Film mit dem Anspruch an, die gesellschaftlich allgegenwärtige Diskriminierung dicker Menschen im Format der romantischen Liebeskomödie zu verhandeln. Das Drehbuch stammt von Sarah Schnier, Regie führte Holger Haase.

Die Inhaltsangabe von der Sat.1 Homepage: "Der bekennende Körperfetischist Nick hasst dicke Menschen. Ein magischer Kilo-Tausch beschert ihm das Übergewicht der liebenswerten Blondine Eva - die ihrerseits ab sofort mit einem Traumkörper lebt". Klingt schon mal ziemlich bescheuert und hochgradig normativ. Aber wenn es dazu dient, etwas aufzuzeigen - und das wird hier zumindest angedeutet - verzeiht man auch die eine oder andere, dem Genre geschuldete Plattheit.

Doch der Film ist nicht nur holprig inszeniert, das Drehbuch nicht nur in formaler Hinsicht überarbeitungsbedürftig, die Figuren nicht nur was die Motive ihres Handelns betrifft holzschnittartig und die SchauspielerInnen nicht nur nicht besonders gut. Selbst wenn man über die filmischen Unzulänglichkeiten hinweg sieht, entpuppt sich das Projekt als ein einziger, durchwegs peinlicher, Klischee-Reigen. Desto dünner, desto glücklicher. Desto Dicker, desto menschlicher. Desto dünner, desto menschenverachtender. Charakter wird hier über weite Strecken zu einem Resultat von Körpergewicht. Außer natürlich bei Hauptfigur Eva Brand (Diana Amft). Sie ist, egal ob dünn oder dick, immer herzensgut, während ihr - Spoilers! - zukünftiger Lover Nick Feltus (Sebastian Ströbel) erst durch seine wundersame Gewichtszunahme geläutert wird.

Etwa eine halbe Stunde vor Ende des Films habe ich auf Twitter geschrieben: "Sollte #Plötzlichfett so enden, dass beide dünn und glücklich sind, ist er nicht nur schlecht, sondern auch extrem reaktionär." Das tatsächliche Ende ist noch schlimmer. Obwohl Nick aufgrund seines Übergewichtes damit rechnet, von Eva zurück gewiesen zu werden, kommt es anders. Sie liebt ihn trotzdem. Es folgt ein romantischer Kuss auf einem Hausdach - so romantisch, dass beide von selbigem herabstürzen. Der Zauber wiederholt sich, beide sind dünn. Auf der Textebene wird jedoch behauptet, beide seien ein bisschen, aber eben nicht zu dick.

Defacto zeigt Plötzlich fett dem Publikum am Ende zwei dünne SchauspielerInnen, denen jeweils ein (sehr) kleines Pölsterchen unter ihr T-Shirt geschoben wurde. Quasi die Light-Version des davor gezeigten: Dünne SchauspielerInnen, die sich zur Belustigung des Publikums abwechselnd in Michelin-Männchen-Kostüme stecken lassen. ORF und Sat.1 hätten das Budget nicht in Musikrechte, sondern in Drehbuch, Regie, Schnitt, DarstellerInnen und vielleicht in die eine oder andere Expertin investieren sollen - denn selbst Annie Lennox, David Bowie und The Smiths sind nicht in der Lage diesen Streifen zu retten.

Auch die Mobbing-Darstellung im Film ist problematisch. Die Kamera ergötzt sich richtiggehend an dem kleinen Nick, der von seinen sadistischen SchulkollegInnen an einen Baum gefesselt wird. Die Zuschreibung "Titten-Nick", die im weiteren Verlauf immer wieder aufgegriffen wird, tut ihr übriges. Die dicken Nicks im deutschsprachigen Raum können sich bei Sarah Schnier und dem Produktionsteam schon mal dafür bedanken, dass sie ihren Bullys eine neue Schmähung nahegelegt haben.

Es wäre interessant zu erfahren, nach welchen Kriterien der Fernsehfonds Austria und der Filmfonds Wien derartige Förderentscheidungen treffen. Denn neben all den oben besprochenen Kritikpunkten, ist nicht zuletzt die Wien-Repräsentation des Filmes mehr als schräg. Sie fokussiert auf den - vergleichsweise dünn besiedelten - ersten Bezirk als Wohnregion sowie einige moderne Hochhaussiedlungen, die auch nicht gerade Zentren des urbanen Lebens sind. Das lässt vermuten, dass es sich weniger um eine genuine Filmforderung als um eine indirekte Tourismus-Förderung handelte. Leider symptomatisch für eine Wiener Kulturpolitik, der Konzepte wie Umwegrentabilität wichtiger sind als Qualität.


1 Kommentar:

  1. Der Film war wirklich äußerst problematisch. Allerdings fände ich es sehr interessant, die Rolle der feministischen Aktivist_innen in dem Film genauer zu analysieren, die, abgesehen von den üblichen Klischees, durchaus sympathisch dargestellt wurden, während ihre Message einfach ignoriert bzw. verdreht wurde.

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