Fast täglich lässt N24 wahlweise die Menschheit aussterben, die Erde explodieren oder das ganze Weltall in sich zusammenfallen. Was fasziniert an diesen Untergangsszenarien?
Derartige Dokumentationen erzeugen Spannung, indem sie existentielle Fragen in den Raum stellen und eindrucksvoll bebildern. Die Unvorstellbarkeit der Vernichtung wird mittels dramatischer Musik als großes Finale der Menschheitsgeschichte inszeniert.
Egal ob lediglich Die Welt ohne Menschen (N24) oder gleich die Explosion des ganzen Planeten gezeigt wird. Die Idee dahinter bleibt trotz der Variation der Schreckensszenarien die gleiche: Schnell kann es vorbei sein mit der menschlichen Existenz - sowohl mit der individuellen als auch mit der kollektiven. Zu einem gewissen Grad wird damit - mutmaßlich unfreiwillig - die Verzweiflung des jederzeit ersetzbaren Individuums in der Tauschgesellschaft reflektiert. Die latente Vernichtungsdrohung gegen den Einzelnen wird kollektiviert und als Vernichtung der gesamten Menschheit konsumierbar gemacht. Das individuelle Leid wird durch die Behauptung gelindert, die Menschheit als ganzes sei sowieso nicht überlebensfähig. Lassen wir es also besser gleich bleiben. "Es" beinhaltet dabei nicht nur die technisch-wissenschaftliche Suche nach einer Rettung, sondern auch ein Ende des Strebens nach einer emanzipierten Gesellschaft, welche eine solche Suche mit ungleich größeren Erfolgsaussichten ausstatten würde.
Ein besonders perfides Sub-Genre bilden Dokumentationen wie Der Tag an dem das Öl versiegt (N24), die latent öko-faschistische Lösungsansätze für globale Probleme anbieten. Ausgehend von dem mehr als unrealistischen Szenario, wonach sämtliches Erdöl von heute auf morgen weg ist, wird uns gezeigt, wie erst sämtliche EinwohnerInnen Japans verhungern und sich in weiterer Folge die Menschheit quasi "auf ein gesundes Maß" zurück schrumpft. Statt die Forderung nach Luxus für alle mit Hilfe alternativer Energiequellen aufrecht zu erhalten, wird globales SubsistenzlerInnentum (ohne JapanerInnen) propagiert.
Bad Wolf
Denkt man an das medialisierte Ende der Welt, drängen sich nicht nur besagte Dokus auf. Die Science-Fiction-Serie Doctor Who (BBC Wales) inszeniert das Ende der Welt in vielen Varianten. Kaum eine andere TV-Serie löst die Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand mit so verlässlicher Regelmäßigkeit ein, wie die um den in einer blauen Polizeinotrufzelle durch die Zeit reisenden Timelord und seine wechselnden Companions. Der Ausnahmezustand ist der Alltag, womit sich Doctor Who ähnlich wie die Fantasy-Serie Buffy the Vampire Slayer (The WB/UPN) an eine Stelle aus Walter Benjamins "Über den Begriff der Geschichte" anlehnt. Allerdings ist der Alltag in beiden Fällen maximal für die jeweiligen Hauptfiguren alltäglich. Im Vergleich zum nicht weniger von abstraktem wie konkretem Horror bestimmten Alltag des Publikums, bleibt das Gezeigte hochgradig außergewöhnlich. Es ist fraglich, ob diese spezifische, an der Kritischen Theorie geschulte Lesart, tatsächlich mit der Vorzugslesart eines relevanten Teiles des Publikums übereinstimmt.
Was Doctor Who von den nicht weniger fiktiven Weltuntgergangsdokumentationen auf N24 unterscheidet, ist das Ende: Die Menschheit überlebt. Sie ist, als die Lebenszeit des Sonnensystems in weiter Zukunft zu Ende geht ("The End of the World" - Staffel 1, Folge 2), bestens gerüstet. Andeutungsweise gelingt es der Menschheit, selbst als das Stündlein des gesamten Universums geschlagen hat, sich mit technischen Mitteln zu retten ("Utopia" - Staffel 3, Folge 11).
Während in Doctor Who nahe gelegt wird, die Menschheit müsse sich lediglich gesellschaftlich so organisieren, dass kosmischen Gefahren in ferner Zukunft durch kollektive Emigration ausgewichen werden kann, suggerieren die N24 Dokumentationen, das Ende sei unausweichlich. Was bleibt, ist die aus Ghostbusters bekannte und von N24 ins unendliche ausgedehnte "Wähle die Form des Vernichters"-Frage, wo stattdessen über die Form der Rettung diskutiert werden sollte.
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