South Park trifft im deutschsprachigen Raum auf einen stark verkürzten PC-Diskurs, der eigentlich ein Anti-PC-Diskurs ist. Diedrich Diederichsen hat sich in seinem Buch Politische Korrekturen auch mit der verkürzten Übertragung der amerikanischen PC-Debatte nach Deutschland beschäftigt. In Deutschland "wurde PC zunächst nur als Gerücht aus den USA verhandelt, meist ohne nennenswerte Hinzufügungen, eher als typisch unschöne Kuriosität aus Amerika."[1] Die Einsicht, dass Sprache durchaus ein politisches Kampffeld sein kann, beschränkt sich hierzulande letztlich - mit wenigen Ausnahmen - auf feministische, antirassistische und einige andere linke Zusammenhänge. Das wiederum macht die eigentliche Problematik der mitunter durchaus emanzipatorisch gemeinten Kritik am PC-Diskurs bei South Park aus, wenn sie in einem deutsch/österreichischen Kontext rezipiert wird. Deutlich wird das auch an der Debatte, die im Vorfeld der Erstausstrahlung von South Park in den 1990ern in deutschen Medien geführt wurde:
"Schon im Vorfeld wies der RTL-Sprecher Wolfgang Osinski '(50)' darauf hin, daß 'diese Serie (...) nun mal politisch völlig unkorrekt und überhaupt nicht für Kinder gemacht' sei. Ohne Umschweife definierte er damit exemplarisch, was in Deutschland bekanntlich unter Politically Correctness (PC) verstanden wird: PC ist, wenn die Kinder es glotzen können wie die Alten auch – wenn also die Jugendfreiheit durch die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) beglaubigt wurde. Kurzum: PC ist wie Kinderkacke."[2]So darf es auch wenig überraschen, dass die Erstausstrahlung von South Park in Deutschland nicht annähernd ähnlich hohe Wellen schlug wie in den USA. Die Antwort auf die Frage warum dem so war, liegt auf der Hand:
"South Park rührt nicht am vermeintlichen Tabu der deutschen Gesellschaft. Eigentlich ist damit alles gesagt. Es führt sie alle vor, die seit Jahren öffentlich abgesegnet gegen Windmühlen (PC) in Deutschland kämpfen, aber westliche bürgerliche Grundwerte – und alle anderen links davon sowieso – meinen."[3]Weder Rassismus, noch Sexismus, Homophobie oder Antisemitismus stellen in Deutschland und Österreich tatsächliche Tabus dar. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Man muss sich nur diverse deutschsprachige Comedy-Produktionen näher ansehen um einiges über die tatsächlichen Verhältnisse in diesen postnationalsozialistischen Gesellschaften zu erfahren. Tabuisiert ist hier vielmehr die Benennung genau dieser Verhältnisse. Eine solche Benennung findet bei South Park statt - in der deutschsprachigen Rezeption scheint dieser Aspekt allerdings kaum eine Rolle zu spielen.
Konkret dürfte der hiesigen South Park-Rezeption unter anderem zu verdanken sein, dass das Wort "Jude" seit einigen Jahren im Jugendjargon wieder verstärkt als Schimpfwort Verwendung findet bzw. diese Verwendung nun sogar durch ein amerikanisches Vorbild legitimiert wird. Auch wenn eine Zunahme des Antisemitismus unter SchülerInnen aufgrund deren South Park-Konsums an dieser Stelle freilich nicht empirisch nachgewiesen werden kann, deuten Einträge in diversen Online-Foren durchaus auf eine derartige Tendenz hin. Auch wenn South Park nicht die Wurzel des Antisemitismus ist, scheint die Identifikation mit dem antisemitischen Eric Cartman eine populäre Rechtfertigungsstrategie zu sein.
Die Ignoranz gegenüber der versuchten Kritik an Antisemitismus bei South Park setzt sich auch in der deutschsprachigen Wikipedia fort. Philosemitismus und gleichzeitiges Unverständnis für die Notwendigkeit gegen antisemitische Attacken Widerstand zu leisten, offenbaren sich dort in nur zwei Sätzen. Kyle sei, so die deutschsprachige Wikipedia, "neben Stan, die einzig vernünftige Person in South Park. Dennoch lässt er sich sehr leicht provozieren und fühlt sich schnell angegriffen."[4] Antisemitismus wird hier zur bloßen Provokation der Provokation willen. Es findet eine Verharmlosung des Antisemitismus statt, der lediglich als Überschreitung und mitunter sogar als Subversion gängiger gesellschaftlicher Normen gelesen wird. Eine derartige Rezeption verstellt jedoch den Blick auf die Funktionsweise von Antisemitismus und damit letztlich die Möglichkeit tatsächlicher Gesellschaftskritik.
Reaktionäre und emanzipatorische Kritik an Political Correctness stehen bei South Park oft nebeneinander, überlagern oder widersprechen sich. Eine stringente Linie scheinen Matt Stone und Trey Paker in ihrer Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der PC-Debatte nicht zu verfolgen. Im deutschen Rezeptionskontext und insbesondere durch die deutsche Synchronfassung tritt der reaktionäre Anteil der PC-Kritik jedoch deutlich stärker hervor als im englischen Original. Pseudotabubrüche treten dann an die Stelle von Gesellschaftskritik. Der Rezeptionskontext einer stark verkürzten PC-Debatte in den deutschsprachigen Ländern tut sein Übriges um South Park für rassistische, sexistische, homophobe und antisemitische Narrative fruchtbar zu machen.
Quellen
[1] Diederichsen, Diedrich, Politische Korrekturen, Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996, S. 14.
[2] Conne Island, "PC als Kinderkacke. Warum die tabubrecherische Serie South Park in Deutschland nur ein Gähnen verursacht", http://www.conne-island.de/nf/59/18.html, Oktober 1999.
[3] ebd.
[4] "South Park", Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/South_Park, 26. Mai 2011.
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