Sonntag, 12. Februar 2012

KünstlerInnen für mehr Überwachung und Repression

Die PR-Agentur "The Skills Group" organisiert seit Jänner 2011 - also mitten in der Diskussion um die Ratifizierung von ACTA - gemeinsam mit den österreichischen Verwertungsgesellschaften eine Kampagne für das "Recht auf geistiges Eigentum". Sie fordern eine "zeitlich befristete Speicherung" der Daten von InternetnutzerInnen im Dienste des Urheberrechts. Nach zwei Warnungen "soll der Rechtsweg" beschritten werden, heißt es auf der Homepage der Kampagne.

Der Aufruftext, der auch von zahlreichen KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und FernsehmacherInnen unterschrieben wurde, strotzt nur so vor haarsträubendem Unsinn. Da wird beispielsweise von einer "Enteignung der Kunstschaffenden" durch das Internet gesprochen, die für selbige existenzgefährdend sei. Helfen soll die harte Hand des Gesetzes oder - wie es die InitiatorInnen der Kampagne formulieren - die Installierung von "wirksame[n] Instrumente[n] der Rechtsdurchsetzung".

Zu irrelevant für's Internet?

Liest man sich die UnterstützerInnenliste durch, sind die meisten dieser KünstlerInnen jedoch derart irrelevant, dass sich bisher niemand überhaupt die Mühe gemacht hat ihre Glanzleistungen irgendwo hochzuladen. Trotzdem sei das böse Internet - so die InitiatorInnen - dafür verantwortlich, dass es weniger Kreativität gäbe und "unser Land" dadurch weniger lebenswert würde (ich habe das nicht erfunden - das steht tatsächlich so auf deren Homepage).

In diesem Zusammenhang wird auch wieder einmal das postnazistische Konzept der "Österreichischen Kulturnation" bedient - wenn auch in diesem Fall der Begriff "Nation" durch das weniger anstößige "Land" ersetzt wurde. Der "mit der Verletzung unseres Rechts verbundene Schaden für das Kulturland Österreich" sei groß, behauptet die Initiative.

Das Wort "Enteignung" scheint es den InitiatorInnen von "Kunst hat Recht" besonders angetan zu haben. Es wird - wie bereits oben erwähnt - eine "massenhafte Enteignung der Kunstschaffenden" behauptet um einige Absätze später vermeintlich folgerichtig "Es gibt kein Recht auf Enteignung!" skandieren zu können. "Enteignung" würde per Definition allerdings den Entzug einer beweglichen oder unbeweglichen Sache verlangen und erfolgt zudem - historisch betrachtet - nicht durch Privatpersonen, sondern zumeist durch den Staat. Nimmt eine Privatperson einer anderen etwas weg, spricht man gewöhnlich von Diebstahl und selbst diese Auffassung gründet - was Musik, Filme oder Serien im Internet betrifft - auf einem Missverständnis*. Jedoch zugegebenermaßen auf einem hoch ideologischen, das mittlerweile von PolitikerInnen, die vom Medium Internet in etwa so viel Ahnung haben wie die von Katherine Parkinson gespielte Jen Barber aus The IT Crowd (Channel 4), in Gesetze gegossen wurde und von Justiz und Polizei mit unverhältnismäßiger Härte exekutiert wird.

InitiatorInnen und UnterstützerInnen

Aus dem für diesen Blog relevanten Fernsehbereich finden sich gleich mehrere prominente Namen auf der Homepage von "Kunst hat Recht". Darunter auch die folgenden, denen ich eigentlich mehr Fähigkeit zur Reflexion zugetraut hätte. Etwa - als InitiatorInnen der Kampagne - die Moderatorin und ehmalige Grün-Politikerin Mercedes Echerer sowie der Musiker und ORF-Radiomoderator Willi Resetarits. Als UnterstützerInnen angeführt sind darüber hinaus die Regisseure Reinhard Schwabenitzky und Paul Poet, der Regisseur und Schauspieler Hubsi Kramar sowie der Kabarettist Thomas Maurer. Zu erwähnen wäre auch die Schriftstellerin El Awadalla, die vor einigen Jahren eine Million Euro (!) bei der Millionenshow (ORF) gewonnen hat, es aber scheinbar trotzdem für notwendig erachtet, sich ihren unterirdischen Geldspeicher auf Kosten von zu verklagenden InternetnutzerInnen weiter aufzufüllen.

Und natürlich sind auch einige weniger überraschende Namen darunter: auf Seiten der InitiatorInnen etwa der Austro-Kabarettfilm-Regisseur Harald Sicheritz, flankiert von einigen abgehalfterten Castingshow-TeilnehmerInnen (namentlich der ehemalige Deutschland sucht den Superstar-Kandidat Marco Angelini und die Helden von Morgen-Gewinnerin Cornelia Mooswalder). Unterstützung bekommen sie etwa von Thomas Brezina, der in den letzten Jahren das Kinderfernsehen des ORF (Okidoki) vollständig übernommen und inhaltlich endgültig gegen die Wand gefahren hat.

Kunst gegen Überwachung

Aber es gibt zum Glück auch noch KünstlerInnen, die sich nicht von Verwertungsgesellschaften und Kulturindustrie als nützliche IdiotInnen vor den Karren spannen lassen. Seit einigen Tagen ist eine Gegenkampagne unter dem Motto "Kunst gegen Überwachung" am Laufen. "Wer Urheberrechts-Verletzungen im Netz bestrafen will, muss die totale Überwachung des Internet wollen", schreiben die InitiatorInnen der Gegen-Initiative auf ihre Facebook-Page. Internet-Überwachung sei keine Lösung, auch nicht für Künstler und Künstlerinnen, heißt es weiter.

Alle Infos zur Kampagne "Kunst gegen Überwachung" findet ihr unter facebook.com/kunstueberwachung - spread the word!

Lesenswerte Texte zu den Konzepten "Geistiges Eigentum" und Urheberrecht:
Das dot.kommunistische Manifest (und ein Vortrag seines Urhebers)
Einige kritische Anmerkungen zu ACTA und seinen Gegner_innen*
DRM... TRIPS... WIPO...
Kunst irrt!
___

*Würde ich beispielsweise der steirischen Depri-Weihrauch-Schnulzentante Soap & Skin - die ebenfalls zu den InitiatorInnen der Kampagne „Kunst hat Recht“ gehört - ihre CD höchst persönlich aus der Hand reißen bzw. sie im Laden klauen (beides würde mir nicht im Traum einfallen), wäre im ersten Fall der Begriff „Raub“ und im zweiten Fall der Begriff "Diebstahl" vielleicht gerechtfertigt. Durch das Anfertigen einer digitalen Kopie nimmt das Original allerdings weder Schaden noch entstehen Kosten für die Künstlerin, ihr Label oder den Vertrieb. 


6 Kommentare:

  1. sorry, aber diesen kommentar finde ich ziemlich dumm. warum kann man nicht differenziert und sachlich über das thema diskutieren und nicht so untergriffigen mist wie den satz über el awadalla in der schublade (ganz unten) lassen?

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  2. Du meinst differenziert und sachlich über Leute diskutieren, die entweder nicht lesen was sie unterschreiben - wie das auf Facebook teilweise suggeriert wird - oder ganz bewusst für mehr Repression gegen bzw. Überwachung von InternetnutzerInnen eintreten?

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  3. Sorry, bei aller Sympathie: so werdet ihr nicht weiterkommen. Der Kommentar ist unterste Schublade. Man kann nicht Leuten wie Mercedes Echerer, Willi Resetarits, Hubsi Kramar, Paul Poet, Thomas Maurer et al - die scheinen ja noch unter den "Unverdächtigeren" zu rangieren - einfach unterstellen, sie hätten nicht gelesen (oder, schlimmer, verstanden), wofür sie da eintreten. Oder sie seien "für mehr Überwachung und Repression". Entweder führt man einen Dialog mit KünstlerInnen (und, ja, die sind keine hirnlosen Büttel oder Zombies der "Contentindustrie", sondern zuvorderst Betroffene). Oder man führt ihn nicht. Geht es hier um Zukunftslösungen oder um aggressive Abgrenzung?

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  4. M.E. kann gerade an Leute "wie Mercedes Echerer, Willi Resetarits, Hubsi Kramar, Paul Poet, Thomas Maurer" höhere Ansprüche stellen, da es sich um politisch engagierte KünstlerInnen handelt. So z.B. den Anspruch, dass sie zur Reflexion ihres gesellschaftlichen Handelns fähig sind (etwas das ich - wie geschrieben - Soap & Skin, Thomas Brezina und diversen Casting-Show TeilnehmerInnen tendenziell nicht zutraue).

    Ich frage mich ja tatsächlich, wie diese Leute (und noch einige andere) auf dieser Liste gelandet sind. Die Möglichkeiten, die mir einfallen wären:

    1.) Sie haben den Text nicht gelesen.
    2.) der Text wurde ihnen in dieser Form nicht vorgelegt.
    3.) Sie kannten den Text, fanden ihn gut, haben aber nicht bedacht was das im Kontext von ACTA, der anhaltenden Repression gegen TauschbörsennutzerInnen sowie gegen BetreiberInnen von Streaming-Seiten bedeutet.
    4.) Sie kannten den Text und ihnen sind die Konsequenzen der von ihnen unterstützten Forderungen im vollen Umfang bewusst.

    In allen Fällen (außer Punkt 4) wäre es gut, wenn sich die betreffenden KünstlerInnen dazu äußeren um das richtig zu stellen.

    Und nun eine Richtigstellung meinerseits:
    Ich habe nichts mit der "Kunst gegen Überwachung"-Initiative zu tun außer, dass ich sie gut, richtig und - gerade zum jetzigen Zeitpunkt - wichtig finde. Wenn es Kritik an meinem Text gibt, sollte sich diese also an mich richten und nicht dazu dienen, die "Kunst gegen Überwachung"-Initiative schlecht zu machen.

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  5. es gibt bessere methoden seinen frust loszuwerden! ungefilterte respektlosigkeiten, urteile und vermutungen öffentlich zu machen, hat noch nie, absolut niemals einen konstruktiven beitrag zu veränderung leisten können. es fällt das wort reflexion, sich darüber den einen oder anderen gedanken zu machen, scheint mir lohnenswert.

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  6. Ich stellte mir dieselben Fragen und bat Mercedes Echerer zum Interview:
    http://www.politisieren.at/urheberrechte_kunst_hat_recht_interview_initiatorin_mercedes_echerer.php

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