Samstag, 8. September 2012

"Twitter Equality Quotient" (2): Unterhaltung

Im zweiten Teil der Artikelreihe, die sich mit der ungleichen geschlechtsspezifischen Verteilung von Retweets auf Twitter beschäftigt, steht der Bereich Unterhaltung im Vordergrund. Behandelt werden hier primär Accounts von Personen, die auch sonst im Fokus dieses Blogs stehen.

Im Unterschied zum ersten Artikel, in dem es um österreichische FernsehjournalistInnen ging, gibt es hier gleich mehrere sehr positive Beispiele. Das macht jedoch zugleich eine Kritik an dem Auswertungsverfahren von Twee-Q notwendig. Denn das Tool ist zugegebenermaßen etwas beliebig, was den "Twee-Q" angeht. Das ist jener Wert, der zwischen 1 (sehr ungleicher) und 10 (sehr gleicher) Retweet Verteilung differenziert. Tritt der Fall ein, dass eine Person mehr Frauen als Männer retweetet, legt das Programm dies ebenfalls als Defizit aus. In Anbetracht dessen, dass auf Twitter tendenziell eher männliche Netzwerke wahrgenommen werden, ist es meines Erachtens aber zu begrüßen, wenn UserInnen mehr Frauen als Männer retweeten. Aus diesem Grund werde ich in Fällen, wo dies so ist, auf eine Nennung des "Twee-Q" verzichten.

Ein großes Minenfeld bezüglich Sexismus Awareness ist - nicht nur im deutschsprachigen Raum - die Comedy Branche. Stellvertretend für viele andere verweise ich auf Ricky Gervais (@rickygervais), der nicht nur einer der erfolgreichsten britischen Stand-Up-Comedians, sondern auch der Co-Entwickler von Serien wie The Office und Extras (beide BBC) ist. Gervais retweetet zu 82 % Männer und zu 18 % Frauen, woraus das Programm einen "Twee-Q" von 2.2 errechnet. Meine persönliche "Ricky Gervais kann eigentlich nicht viel - Stephen Merchant (@stephenmerchant) ist das eigentliche Brain in diesem Gespann"-These bekommt zusätzlich Nahrung dadurch, dass Merchant - allerdings bei einer wirklich geringen Retweet Zahl - um einiges besser als sein Schreibpartner abschneidet. Er kommt auf ein Retweet Verhältnis von 67 % Männer zu 33 % Frauen und erreicht damit den auf der Seite angegebenen Durchschnitts "Twee-Q" von 5.

Die Verhältnisse in der TV Comedy sind insofern ein gutes Spiegelbild von jenen auf Twitter, als hier wie dort gerne behauptet wird, es gäbe nun mal sehr wenige Frauen. Fernsehverantwortliche argumentieren, das sei der Grund - und keineswegs struktureller Sexismus -, warum so wenige weibliche Comedians im Fernsehen zu sehen seien. Josie Long (@JosieLong) zerlegt dieses Argument in einem Radio-Interview über Sexismus und Comedy sehr gekonnt. Trotzdem tendieren auch viele weibliche Comedians auf Twitter dazu, mehr Männer als Frauen zu retweeten (wenn auch bei weiten nicht in dem Ausmaß, wie die meisten TV JournalistInnen, die im ersten Teil dieser Serie behandelt wurden). Long selbst retweetet in einem Verhältnis von 70/30 zu Gunsten der Männer und erreicht damit einen Twee-Q von 4.4. Nur geringfügig schlechter schneidet Sarah Silverman (@sarahksilverman) ab, die zu 72 % Männer und zu 28% Frauen retweetet und damit einen Wert von 3.8. erreicht.

US-Präsidentschaftskandidatin Roseanne Barr (@therealroseanne), die sich kürzlich auf Comedy Central vorhalten lassen musste, dass sie für eine Feministin auffällig viele Männer reich gemacht hat, retweetet in einem Verhältnis von 64/36 und erreicht damit einen überdurchschnittlichen "Twee-Q" von 5.6. Sehr ausgeglichen bilanziert die aus der Politsatire Parks and Recreation (NBC) für ihren Deadpan Humor bekannte Aubrey Plaza (@evilhag). 53 % Prozent ihrer Retweets stammen von Männern, 47% von Frauen. Das ergibt einen "Twee-Q" von 9.

Sehr Positiv ist das Retweet Verhalten von Jennifer Saunders (@ferrifrump), die gemeinsam mit Dawn French Teil des legendären Comedy-Duos French and Saunders ist und zahlreiche – durchwegs frauenzentrierte - TV Serien entwickelt hat. 52 % ihrer Retweets stammen von Frauen. Miranda Hart (@mermhart), oftmalige Sketch-Partnerin von French and Saunders und zuletzt mit der nach ihr benannten Sitcom Miranda (BBC) erfolgreich, retweetet sogar zu 70 % Frauen. Diese Zahlen sind kein Zufall, würde ich behaupten. Sowohl Saunders als auch Hart wurden in der Alternative Comedy Szene der 1980er Jahre sozialisiert. Einer Szene, der Antisexismus - im Unterschied zu vielen linken Comedians aus dem deutschsprachigen Raum - ein zentrales Anliegen war und deren Spurenelemente sich noch bei vielen zeitgenössischen Comedy-NewcomerInnen in Großbritannien finden lassen.

Durchaus überrascht haben mich die sehr ausgeglichenen Ergebnisse von Jonathan Ross (@wossy) und Russell Brand (@rustyrockets), die seit Sachs-Gate einen gewissen Ruf haben. Ross retweetet zu 57 % Männer und zu 43 % Frauen, was einen überdurschnittlichen "Twee-Q" von 7.6. ergibt. Brand schneidet sogar noch besser ab. Er retweetet in einem Verhältnis von 54 % Männer und 46 % Frauen, was ihm einen Equality Wert von 8.6. einbringt.

Ein weiteres interessantes Feld sind DrebuchautorInnen und ProduzentInnen, denen auch abseits von Twitter eine besondere Funktion als MultiplikatorInnen zukommt. Sie haben einen großen Anteil an der Entscheidung, um welche Figuren Serien kreisen, wie das Geschlechterverhältnis in diesen Serien aussieht, wie sich Männer bzw. Frauenfiguren entwickeln und inwiefern diese Entwicklung gängigen Klischees entspricht oder selbige in Frage stellt.

Besonders schlecht schneidet Twitter-Legende Grahem Linehan (@glinner), der Entwickler und Drehbuchautor von Sitcoms wie Father Ted, Black Books und The IT Crowd (alle Channel 4) ab. 84 % seiner Retweets stammen von Accounts, die das Tool Männern zuordnet. Sein "Twee-Q" liegt bei 2 (in diesem Zusammenhang auch noch einmal der Hinweis auf meinen Artikel zu Geschlecht in The IT Crowd).

Armando Iannucci, der u.a. Serien wie Veep, The Thick of it und sehr viele Projekte um die Kunstfigur Alan Partridge konzipiert hat, retweetet in einem Verhältnis von 78/22 zu Gunsten der Männer und kommt damit auf einen eher bescheidenen Twee-Q von 2.8. Nur geringfügig besser ist das Ergebnis des Doctor Who und Sherlock (beide BBC) Produzenten Steven Moffat (@steven_moffat) mit 73/27 und einem "Twee-Q" von 3.8.

Das die Ergebnisse des Tools keineswegs so willkürlich sind, wie einige KritikerInnen nach der Veröffentlichung des ersten Artikels dieser Reihe auf Twitter und Facebook behauptet haben, zeigt sich etwa im Ergebnis von Lena Dunham (@lenadunham). Sie entwickelt nicht nur die Serie Girls (HBO), sondern retweetet selbige auch fleißig. 60 % der von ihr weitergeleiteten Tweets stammen von Frauen. Auch Zooey Deschanel (@zooeydeschanel), zuletzt als Schauspielerin in New Girl sehr erfolgreich, retweetet zu 70 % Frauen und nur zu 30 % Männer.

"Twitter Equality Quotient" (1): TV-Journalismus in Österreich
"Twitter Equality Quotient" (3): Fernsehsender

Coming soon...
"Twitter Equality Quotient" (4): Medien- und Fernsehkritik

Disclaimer
Sämtliche Abfragen wurden zwischen 2. und 3. September 2012 durchgeführt. Alle genannten Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Sie geben zwar eine Tendenz wieder - wer sich tatsächlich hinter den jeweiligen Accounts verbirgt, ist anhand des Twitter-Profils aber oft nicht eindeutig auszumachen. Erst recht nicht, wenn die Abfragen - wie bei Twee-Q - automatisiert passieren. Die Veröffentlichung dieser Zahlen ist nicht als Angriff auf einzelne Accounts und die dahinterstehenden Personen zu verstehen, sondern soll als Denkanstoß bezüglich des individuellen Retweetverhaltens dienen.



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