Mittwoch, 3. Oktober 2012

"Twitter Equality Quotient" (3): Fernsehsender

Im dritten Teil der Reihe zu geschlechtsspezifischen Retweetpolitiken in der Fernsehbrache, geht es um Accounts von Fernsehsendern. Der Fokus liegt auf Kanälen aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum.

Der Umgang von TV Sendern mit der Möglichkeit Tweets von anderen Accounts mittels Retweet weiterzuleiten, ist sehr unterschiedlich. Manche retweeten kaum bis gar nicht, andere nur ihre jeweils eigenen TV Stars. Viele retweeten positive Tweets ihrer SeherInnen, die wenigsten hingegen ihre KritikerInnen. Manche Accounts interagieren stark mit ihren jeweiligen Communities, während andere lediglich - ähnlich einem Feed - ihren Onlinecontent auf Twitter reproduzieren. Sämtliche Ergebnisse, die Twee-Q liefert, sind auch im Kontext der unterschiedlichen Ausrichtung der jeweiligen Accounts zu sehen.

Ähnlich wie beim vorhergehenden Artikel gilt auch hier eine spezifische Kritik am Konzept des "Twee-Q", der einen Equalitywert zwischen 0 (sehr unausgewogen) und 10 (sehr ausgewogen) an Twitter Accounts vergibt. Den Idealwert 10 gibt Twee-Q bei einem Retweetverhältnis von 50/50 aus. Accounts, die zu mehr als 50 % Tweets von Frauen weiterleiten, werden hingegen mit einem niedrigeren "Twee-Q" bewertet. Angesichts der realen Wirksamkeit von Männernetzwerken - insbesondere im professionellen Medienbereich - halte ich eine solche Interpretation der Zahlen für nicht adäquat. Retweeten Sender mehr Frauen als Männer, verzichte ich deshalb auf eine Nennung des "Twee-Q".

Deutschsprachige Vollprogramme

Am besten schneidet bei den untersuchten deutschsprachigen Vollprogrammen Sat.1 (@sat1) ab. 60 Prozent der Retweets stammen von Frauen. Das ARD-Flaggschiff Das Erste (@daserste) retweetet exakt in einem 50/50 Verhältnis und erreicht damit den Top "Twee-Q" von 10. Auch ProSieben (@prosieben) retweetet vergleichsweise ausgeglichen. 59 % der Retweets stammen von Männern, 41 % von Frauen. Das ergibt eine überdurchschnittlichen "Twee-Q" von 7.

Besonders schlecht schneidet hingegen das ZDF (@zdf) ab, das zu 84 % Männer und nur zu 14 % Frauen retweetet und damit auf einen "Twee-Q" von 2 kommt. Der österreichische Privatsender ATV (@atv) retweetet in einem Verhältnis von 86 % zu 14 % zu Gunsten der Männer und erreicht damit einen Wert von 1.6. Noch schlechter schneidet RTL II (@rtlii) mit einem 88/12 Verhältnis und einem "Twee-Q" von 1.4 ab.

Im deutschsprachigen Raum gibt es gleich mehrere interessante Gaps, die jedoch nicht zwischen öffentlich-rechtlich und privat, sondern entlang anderer Grenzen verlaufen. Während die ARD mit Das Erste sehr gut abschneidet, ist das ZDF ziemlich unausgewogen, was die Weiterleitung von Tweets betrifft. Um einiges besser sieht es bei den beiden wichtigsten Sendern aus der ProSiebenSat.1 Gruppe aus, ziemlich schlecht bei RTL und ATV.

Gender TV ohne Überraschungen

Da insbesondere nach dem ersten Artikel dieser Reihe via Twitter und Facebook Kritik geäußert wurde, wonach Twee-Q nicht aussagekräftig sei, habe ich zwei Twitter Accounts von Sendern mit einem klar geschlechtsspezifischen Sendekonzept durch das Tool gejagt. Die Ergebnisse waren wenig überraschend.

Der Serienkanal Sixx (@sixxtv), der mit weißen Hühnern um seine weibliche Zielgruppe wirbt, retweetet 21 % Männer und 79 % Frauen. Beim Gegenkanal DMAX (@DMAX_TV), der mit dem Slogan "Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer" für sich wirbt, sind es mehrheitlich Tweets von ebensolchen, nämlich zu 64 %, die retweet werden. Mit einem "Twee-Q" von 5.6 liegt DMAX sogar über dem Durchschnitt. Trotzdem bildet sich die geschlechtsspezifische Ausrichtung der Sender auch in ihren Twee-Q Ergebnissen ab.

Widersprüchliche Zahlen im Kulturbereich

Besonders interessant im Bereich der Kulturspartenkanäle ist die Diskrepanz zwischen den beiden ARTE Accounts. Der deutschsprachige (@artede) retweetet 78 % Männer und 22 % Frauen und erreicht damit einen "Twee-Q" von 2.8. Beim französischsprachigen Account (@artefr) ist es umgekehrt. Dort werden zu 74 % Frauen und zu 26 % Männer retweetet. Es kann sein, dass das Tool Schwierigkeiten damit hat, französische Vornamen richtig zuzuordnen und die Diskrepanz daraus resultiert.

3sat (@3sat) retweetet in einem Verhältnis von 63/37 zu Gunsten der Männer. Das ergibt einen "Twee-Q" von 5.8, womit der Sender leicht über dem Durchschnitt liegt. Besonders schlecht schneidet der Account des auf ein eher junges Publikum ausgerichteten ZDFneo (@zdfneo) ab. Hier werden zu 83 % Männer und nur zu 17 % Frauen retweetet. Der "Twee-Q" beträgt 2 und ist damit genauso niedrig, wie der des Hauptaccounts des ZDF.

Ein kurzer Ausflug in den englischen Sprachraum

MTV (@mtv) retweetet in einem Verhältnis von 56/44 zu Gunsten der Männer und erreicht damit einen "Twee-Q" von 7.8. Ähnlich ausgeglichen sind die Retweets des zentralen Channel 4 Accounts (@c4insider). Dort werden zu 57 % Männer und zu 43 % Frauen retweetet, was einen Wert von 7.6 ergibt.

Der Serienkanal HBO (@hbo) kommt auf ein Retweetverhältnis von 61/39 zu Gunsten der Männer. Der "Twee-Q" beträgt 6.4. Deutlich schlechter sieht es bei Comedy Central (@comedycentral) aus, wo zu 78 % Männer und nur zu 22 % Frauen retweetet werden. Das ergibt einen "Twee-Q" von 2.8.

Der zentrale Account des vom Comedian Stewart Lee einmal als failed state of television bezeichneten Netzwerkes ITV (@itv), retweetet zu 88 % Männer und erreicht damit einen Wert von 1.4. Noch schlechter schneidet NBC (@nbc) ab. Nur 6 % der weitergeleiteten Kurznachrichten stammt von Frauen. Der "Twee-Q" beträgt niedrige 0.6 Punkte.

Nachrichten als Männerdomäne


Besonders relevant ist die Retweetpolitik von Nachrichtensendern. Gerade hier zeigt sich, ob den von Männern gelieferten Informationen mehr Gewicht zugesprochen werden, als denen von Frauen.

Noch vergleichsweise gut, wenn auch unterhalb des von Twee-Q zum Untersuchungszeitpunkt angegebenen Durchschnittswerts von 5, schneidet BBC World (@bbcworld) ab. Dort werden zu 68 % Männer und zu 32 % Frauen retweetet. Das ergibt einen "Twee-Q" von 4.6.

CNN (@cnn) retweetet in einem 72/28 Verhältnis zu Gunsten der Männer, woraus das Tool einen Wert von 3.8 errechnet. Der zu ProSiebenSat.1 Media gehörende Nachrichtensender N24 (@n24_de) retweetet zu 77 % Männer und nur zu 23 % Frauen. Der "Twee-Q" beträgt 3.

Wenig überraschend sehr männerzentriert ist der rechtskonservative Nachrichtensender FOX News (@foxnews), der - glaubt man dem Tool - zu 86 % Männer und zu 14 % retweetet und damit einen Wert von 1.6 erreicht. Noch schlechter schneidet der zur RTL Group gehörende deutsche Nachrichtensender n-tv (@ntvde) ab. Er retweetet zu 92 % Männer und zu 8 % Frauen, woraus das Tool einen mageren "Twee-Q" von 1 errechnet.

Interessant ist, dass sich im Unterhaltungsbereich weit mehr positive Beispiele finden lassen, als im Informationsbereich. Diese Diskrepanz war schon in den ersten beiden Artikeln dieser Reihe auffällig. Im Nachrichtensektor werden die Männernetzwerke schlagend und Tweets von Frauen von zentralen Informationsdrehscheiben viel seltener weitergeleitet als die von Männern.

"Twitter Equality Quotient" (1): TV-Journalismus in Österreich
"Twitter Equality Quotient" (2): Unterhaltung

Coming soon
"Twitter Equality Quotient" (4): Medien- und Fernsehkritik

Disclaimer
Sämtliche Abfragen wurden zwischen 2. und 3. September 2012 durchgeführt. Alle genannten Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Sie geben zwar eine Tendenz wieder - wer sich tatsächlich hinter den jeweiligen Accounts verbirgt, ist anhand des Twitter-Profils aber oft nicht eindeutig auszumachen. Erst recht nicht, wenn die Abfragen - wie bei Twee-Q - automatisiert passieren. Die Veröffentlichung dieser Zahlen ist nicht als Angriff auf einzelne Accounts und die dahinterstehenden Personen zu verstehen, sondern soll als Denkanstoß bezüglich des individuellen Retweetverhaltens dienen.



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