Mittwoch, 16. März 2011

Are We Not Men? - "The IT Crowd" aus einer genderkritischen Perspektive

Die Grundkonstellation von The IT Crowd (Channel 4 / Comedy Central) lässt erstmal wenig gutes erwarten. Jen Barber (Katherine Parkinson) wird trotz offensichtlicher Unfähigkeit - dank eines gefälschten Lebenslaufes - zur Chefin der IT Abteilung von Reynholm Industries. Die neuen Untergebenen Roy Trenneman (Chris O'Dowd) und Maurice Moss (Richard Ayoade) führen sie in ihren verzweifelten Versuchen ihre mangelnde Qualifikation zu verbergen genüsslich vor.

Nachdem Jens falsches Spiel auffliegt, einigt sie sich mit Roy und Moss notgedrungen auf folgende Arbeitsteilung: die Männer kümmern sich um die Technik, während Jen als „Relationship Managerin“ die mangelnde soziale Kompetenz ihrer Kollegen ausgleichen soll. Moss und Roy versuchen im weiteren Verlauf zwar immer wieder Jen technisches Grundlagenwissen zu vermittlen – allerdings mit wenig Erfolg ("Yesterday's Jam", Staffel 1, Folge 2). Die Witze gehen in diesem Zusammenhang zumeist auf Kosten von Jen.

Ambivalente Geschlechterinszenierungen

Das Grundmotiv der in Bezug auf Technik ahnungslosen Frau, wird auch in späteren Folgen wiederholt aufgegriffen. Etwa in "The Speech" (Staffel 3, Folge 4), in der Jen von Moss und Roy aufgrund mangelnder IT-Kenntnisse öffentlich vorgeführt wird. Die Witze gehen auch hier auf Jens Kosten. Dazu kommt in dieser Folge noch eine Transgender Parallelgeschichte, die möglicherweise von Autor und Regisseur Graham Linehan sogar irgendwie kritisch gemeint ist, letztlich aber ziemlich daneben geht.

Auch wenn die Figurenanordnung mit gängigen Vorstellungen von Geschlechterrollen weitgehend harmoniert, werden selbige im weiteren Verlauf der Serie gelegentlich unterwandert oder zumindest punktuell in Frage gestellt. Die Darstellung ist dabei oftmals ambivalent. Etwa wenn Jens Modetick behandelt wird. Die Schuhe, die sie möchte, gibt es nur eine Größe kleiner. Sie entscheidet sich trotzdem für den Kauf. Wenig später sieht man Jen, wie sie in ihren neuen Schuhen die Straße hinuntergeht und trotz Schmerzen versucht ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu bewahren ("Calamity Jen", Staffel 1, Folge 2). Während der gesamten Folge versucht Jen ihre Schmerzen zu verbergen. Als sie die Schuhe im Büro auszieht, sind ihre Füße verkrüppelt. Das ist zwar alles immer noch sehr Klischeehaft - wirft aber zumindest einen Blick auf die Schattenseiten herrschender Geschlechterinszenierungen.

Moss und Roy im Kampf um ihre Männlichkeit

In "Aunt Irma Visits" (Staffel 1, Folge 6) wird ebenfalls tief in die Kiste der Klischees gegriffen – allerdings mit einem Twist in der Mitte der Folge: Jen hat ihre Tage und leidet unter Stimmungsschwankungen, von mangelndem Selbstwertgefühl bishin zu lautstarken Wutausbrüchen. Doch dann steckt Jen ihre Kollegen Moss und Roy damit an und die beiden bekommen ebenfalls ihre Tage (was sie zunächst nicht wahrhaben wollen). Die Sache weitet sich zu einem landesweiten Phänomen aus, das sich wie ein Computervirus verbreitet: Junge Männer aus der IT-Branche brechen aufgrund ihrer Stimmungsschwankungen Straßenschlachten vom Zaun, die als "Aunt Irma Riots" in die Geschichte eingehen.

Bei The IT Crowd gibt es aber auch wirklich subversive Erzählungen zum Thema Geschlecht. Beispielsweise in "Are We Not Men?" (Staffel 3, Folge 2): Moss hadert mit seiner Männlichkeit. Im Internet findet er eine Anleitungen für authentischen Fußballfan-Jargon. Moss und Roy testen die gelernten Floskeln in einem Pub und freunden sich prompt mit einer Horde testosterongeladener Fußballfans an. Beide versuchen – trotz mangelndem Interesse an Fußball – den heteronormativen Rollenkonventionen ihrer neuen Freunde zu entsprechen. Ohne zu viel zu verraten: Die Folge endet mit einem leidenschaftlichen Kuss zwischen Moss und Roy.

Der sexistische Chef

Zu Beginn der zweiten Staffel nimmt sich Denholm Reynholm (Chris Morris) – der bisherige Chef von Reynholm Industries – auf reichlich absurde Weise das Leben. Sein Sohn Douglas (Matt Berry), der in der Vergangenheit wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verurteilt wurde, folgt ihm nach. Damit wird eine neue Konfliktkonstellation in die Serie eingeführt. In "Men without Woman" (Staffel 2, Folge 6) und "Tramps Like us" (Staffel 3, Folge 3) werden sexistische Übergriffe von Douglas und ihre rechtlichen Folgen behandelt.

Das sexistische Grundklima bei Reynholm Industries wird ab der zweiten Staffel kontinuierlich thematisiert. In "Jen the Fredo" (Staffel 4, Folge 1) geht es um den "Shit Head Of The Year Award" – einen Negativpreis, der an Reynholm Industries für institutionellen Sexismus verliehen wurde. Douglas glaub jedoch, der von Feministinnen vergebene Preis sei ein positive Anerkennung seiner Arbeit als Unternehmer.

Einen "Shit Head Of The Year Award" hätte möglicherweise auch Graham Linehan für die androzentristische Perspektive in den von ihm geschriebenen Fernsehserien verdient. Kann man bei Father Ted (Channel 4) noch argumentieren, dass sich eine Sitcom über drei katholische Priester auf einer einsamen Insel notgedrungen um Männer drehen muss, wären die androzentristischen Figurenkonstellationen bei Black Books (Channel 4) und The IT Crowd durchaus vermeidbar gewesen. Was den faktischen Wortanteil betrifft, sind Frauen sowohl bei Black Books als auch bei The IT Crowd deutlich unterrepräsentiert. Obwohl geschlechtsspezifische Klischees bei The IT Crowd punktuell durchbrochen werden, findet zumeist doch eher eine Bestätigung selbiger statt.

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