Sonntag, 24. Februar 2013

Dort, wo sie hergekommen sind...

Go Back To Where You Came From (SBS) ist der eher abschreckende Name einer sehenswerten Reality-TV Show aus Australien. Sie begleitet AustralierInnen dorthin, von wo Menschen nach Australien flüchten. Auf ähnlichen Wegen, mit ähnlichen Verkehrsmitteln, in entgegengesetzter Richtung.

Die TeilnehmerInnen

Adam ist von Beruf Rettungsschwimmer und hat 2005 an rassistisch motivierten Riots in Sydney teilgenommen. Zumindest die Ausschreitungen - gezeigt werden Bilder einer Menschenmenge, die auf eine am Boden liegende Person einprügelt - sieht er mittlerweile kritisch, nicht jedoch die Proteste an sich. Er revidiert seine Meinung am Ende der ersten Staffel[1].

Raquel stellt sich damit vor, dass sie "ein bisschen rassistisch" ist und Hautfarbe für sie eine wichtige Rolle spielt. Sie hat mit 14 die Schule abgebrochen und lebt - verglichen mit den anderen TeilnehmerInnen - in einfachen Verhältnissen im Westen von Sydney. Am Ende der Reise sagt sie, dass sich ihre Meinung durch die Erfahrungen grundlegend verändert hätte.

Das Grundstück der pensionierten Sozialarbeiterin Raye grenzt an ein Detention Center. Sie meint, den dort eingesperrten Geflüchteten ginge es zu gut und alles würde ihnen auf einem goldenen Tablett serviert werden. Menschen, die auf der Flucht bei Bootsunfällen ums Leben kommen, geschehe dies zu Recht, so ihr Eingangsstatement. Am Ende der Sendung empfindet sie Empathie für die Geflüchteten, sagt, dass ihre Perspektive auf das Thema nun erweitert sei und sie ihren Tunnelblick hinter sich gelassen hätte. Sie würde den Menschen im Detention Center jetzt Kuchen vorbei bringen, sagt sie abschließend.

Darren fehlt zu beginn jegliche Empathie für die Geflüchteten. Er macht ihnen Vorwürfe, dass sie nicht in vermeintlich sicheren Drittstaaten geblieben sind, sondern sich bis nach Australien durchgekämpft haben. In diesem Zusammenhang bezieht er sich auf ein Schiffsunglück auf der Australien vorgelagerten Weihnachtsinsel, das viele Todesopfer forderte. Er meint, die Gesetze müssten weiter verschärft werden, damit die Leute gar nicht erst auf die Idee kämen, mit Booten zu flüchten. Er macht im Laufe der Reise hie und da Zugeständnisse - verändert seine Position aber nicht grundlegend.

Roderick ist in der Liberal National Party politisch aktiv und hat ein großes Bedürfnis, sich nach links abzugrenzen. Er selbst sieht sich als politisch mitte-rechts stehend, fürchtet aber, dass dies in diesem Kontext untergehen wird. Er insistiert im Vorfeld immer wieder auf die Illegalität der Einreise, steht den Geflüchteten aber vergleichsweise positiv gegenüber. Am Ende meint er, man müsse die Schlepper konsequent bekämpfen, nicht jedoch Schutz suchende Menschen.

Kein Problem damit, als links dargestellt zu werden, hat Musikerin Gleny. Sie spricht sich von Anfang an dafür aus, dass Australien mehr Menschen aufnehmen soll, weil das Land augenscheinlich die Kapazitäten dazu hat.

Moderiert wird Go Back To Where You Came From von David Corlett. Er ist Migrationsforscher und zieht sich nicht auf eine vorgeblich neutrale Position zurück. Stattdessen sucht er immer wieder die Diskussion mit den TeilnehmerInnen, stellt kritische Fragen und ist bemüht, verzerrte Wahrnehmungen aufzuzeigen.

Die Reise

Die TeilnehmerInnen werden in zwei Gruppen aufgeteilt. Für die Erste beginnt die Reise in einem australischen Detention Centre (zum Kontext siehe Grenzregime: Australien). Dort sprechen die TeilnehmerInnen mit Männern aus dem Irak, die erzählen, wie sie es nach Australien geschafft haben. Die zweite Gruppe zieht bei einer, aus Burundi geflüchteten, Familie ein. Hier wie dort wird über Folter, sexualisierte Gewalt und andere Erfahrungen der Geflüchteten gesprochen.

Anschließend müssen die TeilnehmerInnen der Show gemeinsam eine Reise mit einem nur begrenzt hochseetüchtigen Boot antreten. Sie sind zu sechst. Die Off-Stimme merkt an, dass sich in Fluchtsituationen bis zu 60 Menschen auf einem derartigen Schiff drängen. Gegen Mitternacht läuft das Unterdeck des Bootes mit Wasser voll. Die TeilnehmerInnen müssen das Wasser bis in die frühen Morgenstunden eimerweise ins Meer zurück kippen. Dann bricht auch noch ein Feuer aus. Alle werden gerettet - von der australischen Küstenwache.

Danach geht es in die Slums von Kuala Lumpur, wo viele Geflüchtete auf die Weiterreise in Staaten wie Australien warten. Die AustralierInnen sind bei auf der Flucht in Malaysia gestrandeten Chin zu Gast, die zu fünfzigst in einer kleinen Wohnung leben. Auch hier wird von Zwangsarbeit, Folter, Polizeiübergriffen und sexualisierter Gewalt berichtet. Am nächsten Tag müssen die Männer ein Feld von Steinen befreien, während die Frauen in einer improvisierten Schule Englisch-Unterricht geben. Die Kinder dürfen - außer für den kurzen Weg in die Schule - nicht nach draußen. Fielen sie in die Hände der Behörden, während sie im freien Spielen, wären sie akut von Haft und Abschiebung bedroht.

Völlig konträr dazu gestalten sich die nächsten 24 Stunden: Die TeilnehmerInnen begleiten die malaysischen Behörden bei der Jagd nach illegalisierten Menschen. Das Publikum wird von der Off-Stimme darüber aufgeklärt, dass die technische Ausrüstung, die dabei zum Einsatz kommt, mit australischen Steuergeldern finanziert wurde.

Für die nächste Etappe wird die Gruppe wiederum gespalten. Ein Teil reist nach Jordanien, der andere nach Kenia. Dort sollen sie jeweils eine Woche in einem Refugee Camp leben und Verwandte jener Menschen besuchen, bei denen sie am Beginn ihrer Reise in Australien zu Gast waren. Für die Jordanien-Gruppe geht es danach weiter in den Irak, während die Kenia-Gruppe in den Kongo aufbricht. Beide Gruppen werden vom Militär - UNO-Truppen und US-Streitkräften - begleitet und abgeschirmt.

Das Format

Ähnlich wie bei anderen Reality-TV Shows suchen die MacherInnen auch hier nach dem größtmöglichen Konfliktpotential. Raquel, die im Vorgespräch keinen Hehl aus ihrem Rassismus gemacht hat, muss bei einer schwarzen Familie einziehen - Tausche Familie (ATV), Frauentausch (RTL II) und ähnliche Formate lassen grüßen. Was Go Back To Where You Came From von derartigen Sendungen unterscheidet, ist eine Daten und Fakten liefernde Off-Stimme und das Ausbleiben herabwürdigender Musikeinspielungen und manipulativer Schnitt-Folgen. Das Format wirkt nicht gescriptet und hat einen aufklärerischen Anspruch.

Etwas skurril ist - nicht nur in diesem Zusammenhang - die Praxis, englisch sprechende Menschen zu untertiteln. Das passiert in Go Back To Where You Came From mehrmals, obwohl die interviewten Geflüchteten gut Englisch sprechen (eine Anmerkung zur internationalen Verständlichkeit des Akzents der weißen AustralierInnen spare ich mir an dieser Stelle - schließlich ist das Format für ein australisches Publikum bestimmt).

Die Frage, die bleibt, ist, ob man RassistInnen mit derartigen Formaten von ihrem Rassismus heilen kann. Mutmaßlich nicht. Die rassistischen TeilnehmerInnen von Go Back To Where You Came From schaffen es zum Teil ihren Rassismus in einer "Die Menschen, die ich kennengelernt habe, sind die echten Refugees - viele andere nützen uns nur aus"-Logik zu konservieren. Ein anderer Teilnehmer gesteht ein, dass die Verhältnisse schon sehr schlimm sind, Australien aber nicht alle Probleme der Welt schultern könne. Auch der Klassiker, man sei nicht rassistisch, den man habe viel FreundInnen aus [beliebige Länder einsetzen], war in der abschließenden Diskussionsrunde zu vernehmen.

Anmerkung:
[1] Der gesamte Artikel bezieht sich auf die erste Staffel von Go Back To Where You Came From. Mittlerweile wurde eine zweite Staffel produziert, die mir aber leider nicht vorliegt.


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