Mittwoch, 13. Februar 2013

Fasching in Villach

Eigentlich habe ich mir den Villacher Fasching (ORF 2) angesehen, um einen fundierten Totalverriss schreiben zu können. Doch zu meiner Überraschung war er weit weniger rassistisch, sexistisch, faschistoid etc. als ursprünglich angenommen.

Schon viel eher hat er mich an Dorfers Donnerstalk (mit anderer Zielgruppe) erinnert: Nicht wirklich lustig, aber auch nicht wirklich schlimm, wenn man bedenkt, was deutschsprachige Mainstream Comedy sonst mitunter auswirft.

Die Witze

Es gibt viel zu Kritisieren am Villacher Fasching. Gleich am Beginn bringen die VeranstalterInnen Schleichwerbung für die Firma des Faschingsprinzen im ORF unter. Ein Witz über die Körperfülle von Science Buster Werner Gruber, ein "Männer lieben Fußball / Frauen lieben Schuhe"-Scherz und ähnliche Kaliber scheinen zum fixen Repertoire zu gehören. Und dann noch all die Witze, deren Bart von Villach bis Wien und zurück reicht. Darunter ein "Kana-da/Kanada"-Joke; Auftritte, die primär von den in Kärnten inflationär verwendeten Begriffen "Hundling" und "Sihalich" leben; garniert mit Mitleidsapplaus und Reaction shots von stark alkoholisierten, tendenziell rechts-konservativen PolitikerInnen.
Beim deutschen Karneval gibt es den Tusch, damit die Leute wissen, wann sie lachen müssen. Die PerformerInnen beim Villacher Fasching bräuchten das nicht weniger, entscheiden sich aber aus Liebe zur Tradition dazu, mit den eigenen Pointen unterzugehen.

Zu Buhrufen wurde das Publikum durch einige Anti-Männer-Witze motiviert. Die waren zwar größtenteils nicht weniger biologistisch als ihre Pendants, folgten beständig einer "Männer sind so"-Logik, aber immerhin handelt es sich um eine Form von Humor, die nach oben tritt, anstatt zu buckeln. Denn - das muss der Veranstaltung zu Gute gehalten werden - der Villacher Fasching ist bei weitem nicht so männerdominiert, wie jener Ausschnitt aus der österreichischen Kabarett-Szene, der für gewöhnlich im Fernsehen zu sehen ist, fixe TV-Shows besetzt oder eigene Serien und Filme (mit ORF Geldern) produzieren darf.

Das Spektrum

Überraschend fand ich das breite Spektrum an Comedy-Genres, die der Villacher Fasching bespielt: Stand-up-Comedy, Character-Based Comedy, Musical Comedy, Spoof-Comedy und Kabarett Simpl mäßiges Gesangs-Verkleidungs-Polit-Kabarett. Das meiste davon geht in die Hose, insgesamt sind es nicht die innovativsten Genres, aber die Vielfältigkeit sucht ihresgleichen.

Die geschlechtliche Verteilung ist wiederum sehr typisch: Der Stand-Up-Bereich ist extrem männerdominiert, desto mehr spielerische Elemente es gibt, desto ausgeglichener ist das Geschlechterverhältnis unter den DarstellerInnen. Nichts gesagt und getanzt wird hauptsächlich - aber nicht ausschließlich! - von Frauen.

Die Kritik

Manche kritischen Tweets - möglicherweise auch meine eigenen - kommen um einiges unsympathischer rüber, als die kritisierte Veranstaltung. Etwa wenn Logiken wie "Nicht vergessen: die Zuschauer beim Villacher Fasching sind alle wahlberechtigt. Und wir wundern uns über Wahlergebnisse" aufgefahren werden. Warum wird so ein Zusammenhang hergestellt? Weil unlustige Leute rechtsextreme Parteien Wählen? Ich mache mir über den Einfluss der wahlberechtigten Ski WM NationalistInnen ehrlich gesagt weit mehr sorgen, als über den der wahlberechtigten Fans alter Witze und halblustiger Herumhampeleien. Von den wahlberechtigten Fans medialisierter intellektueller Rassismen, Sexismen, Antisemitismen, ... und der hartnäckigen Kritikresistenz derer, die sie selbstbewusst äußern, ganz zu schweigen.

Ich schaue mir den Villacher Fasching normalerweise nicht an. Was dort in letzten Jahren passiert ist, kann ich also nicht beurteilen. Bedenkt man, was sich sonst alles an reaktionären TV-Inhalten hinter dem Totschlagargument "Brauchtum" verschanzt, ist der Villacher Fasching - zumindest im Jahr 2013 - kein nennenswertes herausragendes Problem.

Lei Lei.


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