Donnerstag, 7. Februar 2013

Warum nicht einfach streichen? Warum nicht einfach rausschneiden?

Ein paar Anmerkungen zu den Debatten über Rassismus in Kinderbüchern und den misslungenen Antirassismus in der Sitcom Fawlty Towers (BBC Two).

Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in Großbritannien wird derzeit eine mediale Debatte über den Umgang mit rassistischen Begriffen geführt. Leider ist es in beiden Fällen weniger eine Diskussion über Rassismus, sondern eine Rechtfertigungsdebatte, die krampfhaft versucht rassistische Beleidigungen ins 21. Jahrhundert hinüberzuretten.

Fawlty Towers

Während es in Deutschland und Österreich um die Streichung rassistischer Begriffe aus einigen Neuauflagen älterer Kinderbüchern geht, wird in Großbritannien über eine kurze Szene in der Sitcom Fawlty Towers diskutiert. Die Szene zeigt einen alten bürgerlich-konservativen Stammgast des Hotels, der einen rassistischen Begriff benutzt. Er tut dies, weil er ein Rassist ist. Nicht mehr und nicht weniger, will die Szene sagen. Sie ist weder für die weitere Handlung der Folge, noch in humoristischer Sicht sonderlich bedeutend und der aufklärerische Anspruch ist eher enden wollend. Trotzdem ist ein publizistischer Empörungssturm vom Guardian bis zum Daily Telegraph (der nicht zufällig den Spitznamen Daily Torygraph hat) ausgebrochen, der an der Ausstrahlung der Szene festhält und KritikerInnen vorhält, sie hätten den Witz nicht verstanden. Dabei verstehen vielmehr die JournalistInnen ihrerseits die Kritik (absichtlich?) falsch, was wohl auf eine allzu oberflächliche Beschäftigung mit Rassismus zurückzuführen ist.

So wird den KritikerInnen der Szene immer wieder erklärt, was sie ohnehin schon wissen, nämlich dass sich die Szene über einen konservativen, militaristischen Rassisten lustig macht. Sowohl die Strategie dieser Form der vermeintlich antirassistischen Satire als auch der Umstand, dass es sich um eine Sitcom mit einer ausschließlich weißen Besetzung handelt, in der schwarze SchauspielerInnen maximal kurze Gastauftritte hatten, wären jedoch das zu kritisierende. Denn der gesellschaftliche Rassismus der 1970er Jahre wird von den politisch als links-liberal einzustufenden MacherInnen von Fawlty Towers (Connie Booth und John Cleese) dem konservativen Ex-General umgehängt, von dem ohnehin alle wissen, dass er ein bisschen spinnt. Solche Szenen lenken - ganz abgesehen von der problematischen Reproduktion rassistischer Begriffe - von der gesellschaftlichen Normalität von Rassismus (gerade im England der 1970er Jahre) ab.

Kinderbücher

In Bezug auf die Kinderbuchdebatte taucht immer wieder die Behauptung auf, besagte Begriffe hätten vor einigen Jahrzehnten keine Beleidigung dargestellt, sondern seien neutral gewesen. So argumentiert etwa Christine Nöstlinger gegen die (wirklich geringfügigen) Überarbeitungen ihrer Texte. Was sie ausblendet, ist, dass die Begriffe auch schon vor 50 Jahren rassistisch waren. Nur war eben damals auch die Gesellschaft als Ganze (und auch die politische Linke zu der sich Nöstlinger mutmaßlich zählt) noch rassistischer als heute. Deshalb ist kaum einer weißen AutorIn aufgefallen, wie problematisch und verletzend diese Begriffe sein können. Insofern stimmt es, dass es ein "normaler Ausdruck war" - aber eben in einer massiv rassistischen Normalität.

Ebenfalls Fixpunkt dieser Debatten sind Pseudoantiautoritäre Einwürfe, wie der, dass man nicht in Texte dritter eingreifen dürfe, denn das sei Zensur. Komisch nur, dass die meisten Zeitungen, die derartige Dinge schreiben, selbst gerne und oft in die Texte ihrer AutorInnen eingreifen. Ein klassisches Beispiel ist die Streichung geschlechtergerechter Formulierungen - gängige Praxis vieler Medienhäuser -, die mit großer Hartnäckigkeit und über die Köpfe der AutorInnen hinweg betrieben wird.

Abschließend noch ein paar Worte zu diversen Blogbeiträgen weißer linker BloggerInnen, die nach etwa diesem Schema funktionieren: Rassismus ist schlimm, aber rassistische Begriffe aus Kinderbüchern zu streichen, sei kontraproduktiv. Denn erstens sei das Zensur und zweitens biete die Verwendung rassistischer Begriffe den Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder antirassistisch aufzuklären. Nicht bedacht wird, dass wir in einer latent rassistischen Gesellschaft leben, in der die Mehrheit der Eltern weder das Know-how, geschweige denn überhaupt ein Interesse daran hat, Kinder für Rassismus zu sensibilisieren.[1]

Mit Blogeintragen, die einer solchen Logik folgen, lassen sich Zugriffe und Likes generieren, vielleicht sogar Verlinkungen in Mainstream-Medien. Spätestens dann sollten sich besagte BloggerInnen aber die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, aufgrund einer Mischung aus Ressentiments und Aufmerksamkeitssucht eine Sarrazin-Strategie (Linke/r redet rassistisches Zeug und wird dafür medial hofiert) zu fahren.

Die Psychodynamik der Kritikabwehr

Ein zentraler Faktor der Ablehnung von überarbeiteten Neuauflagen bzw. Schnittfassungen dürfte ein Gefühl des Unbehagens sein. Bücher mit denen man aufgewachsen ist, gelten plötzlich als rassistisch und es sind bei weitem nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern auch durchaus emanzipatorische Kinderbücher, die nun Gegenstand antirassistischer Kritik werden. Von dieser Kritik fühlen sich nicht nur manche AutorInnen, sondern nicht zuletzt jene, die mit diesen Büchern aufgewachsen sind, verunsichert. Denn die Gewissheit als weiße Linke über Rassismus erhaben zu sein, ist ein für allemal dahin. Weil man sich das nicht eingestehen möchte, kämpft man einen absurden Kampf gegen Windmühlen, verteidigt missglückte Rassismus-Satiren und rassistische Zuschreibungen.[2] Dabei würden sich in der Neufassung weder besagte Kinderbücher, noch die Serie Fawlty Towers qualitativ verschlechtern - eher im Gegenteil.

Anmerkungen:
[1] Selbst wenn das entsprechende Know-how vorhanden ist, bezweifle ich, dass es eine sinnvolle Strategie ist, Kinder antirassistisch zu erziehen, indem man ihnen rassistische Begriffe beibringt und sagt: "Das darfst du nicht sagen!" Da finde ich die Streichung allemal sinnvoller (und für HistorikerInnen sind die Originalfassungen ohnehin weiterhin zugänglich - weil das in dieser Debatte immer wieder als Argument gebracht wird).
[2] Einen ähnlichen Antrieb sehe ich hinter der pauschalen Ablehung geschlechtergerechter Sprache in Zeitungsreaktionen. Um sich selbst zu vergewissern, dass die eigene Sprache keinesfalls sexistisch ist, verbietet man Leuten, die sich um eine inklusivere Sprache bemühen, geschlechtergerechte Formulierung.

Links:
Gegen Rassismus in Medien und in Kinder- und Jugendbüchern
Hamsterrad der Ignoranz – Wenn Weiße mit sich selber über Rassismus reden
Mit den Kindern reden


1 Kommentar:

  1. Der Rassismus steckt ja nicht nur in den einzelnen Begriffen, sondern hinterlässt in einigen Kinderbüchern tiefgreifendere Spuren im Plot. Und spätestens an dem Punkt fällt es mir plötzlich gar nicht mehr so leicht, eine endgültige Meinung zu dem Thema zu haben. Wie im Artikel bereits erwähnt, sind die Begriffe damals auch schon rassistisch gewesen, obwohl es unbeabsichtigt war. Ein Kinderbuch ist ab diesem Moment nicht mehr nur noch ein Kinderbuch, sondern ein Zeitdokument, genau wie sexistische Science-Fiction-Filme aus den 50ern. Das einfach zu ignorieren, indem man Begriffe einfach austauscht (und rassistische Grundplots dennoch weiterbestehen) halte ich für falsch. Damit Kinder den Rassismus nicht aufnehmen, sollte es meiner Meinung nach als "entschärft" gekennzeichnete Kinderbuchfassungen geben, die Originale sollten allerdings weiter erhältlich sein.

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