Freitag, 15. Februar 2013

Eine wirklich gute Sexismus-Satire ist das... nicht.

Funktioniert Who wants to fuck my girlfriend? (Tele 5) als antisexistische Satire? Das suggerieren jedenfalls die MacherInnen der Show und jene, die sie auf Punkt und Beistrich verteidigen. Viele KritikerInnen - zumal solche, die sich ernsthaft mit Sexismus auseinandersetzen - wollten das seit Bekanntwerden des Sendungskonzepts nicht glauben. Zu Recht, wie ich meine.

Wer sich die Mühe macht, diverse Online-Diskussionen zur Sendung nachzulesen, wird den Eindruck bekommen, so etwas wie sexistischen Humor könne es gar nicht geben. Sind doch sexistische Witze primär Witze über die Person, die sie erzählt. Ein ironisches Spiel, das im Idealfall nicht durch vorschnelle Sexismus-Vorwürfe in seiner Entfaltung behindert werden sollte.

"I don't think that; I think the opposite of that", um den alles andere als unironischen Alternative Comedian Stewart Lee zu zitieren. Betonter Sexismus ist nicht automatisch Sexismus-Kritik. Denn mit der Ironie ist das so eine Sache. Oft verkommt sie zur Marketingstrategie, die durch absichtlich gesetzte Mehrdeutigkeiten dazu dient, das Zielpublikum zu vergrößern, indem unterschiedlichen KonsumentInnengruppen gegenläufige Lesarten angeboten werden. Ulmen.tv konnte mit dieser Strategie im Vorfeld der ersten Sendung einen Web 2.0 PR-Coup landen. Die Einen finden's cool, die Anderen kritisieren Sexismus, worauf mit Überlegenheitsgeste wahlweise "Lustig gemeint!", "Ironie!", "Satire!" oder "Fake!" gerufen wird.

Ihr habt es nicht gecheckt!

Die Sendung selbst bespielt dieses Spannungsfeld - bis auf eine Wiederholung der bereits vorab im Internet veröffentlichten "Stellungnahme des Produzenten zu Who wants to fuck my girlfriend?" - erstaunlich wenig und kommt über eine zynische Mediensatire mit konzeptionellen Schwächen nicht hinaus. Da die Fans des Formats inhaltliche Kritik - wie das im Humor-Bereich leider oft der Fall ist - mit dem "Das ist doch Satire und ihr checkt es nicht"-Argument abschmettern, erspare ich es mir, auf diverse sexistische und homophobe Statements von Kunstfigur Uwe Wöllner (Christian Ulmen) im Detail einzugehen. Stattdessen versuche ich auf der Meta-Ebene zu zeigen, warum Who wants to fuck my girlfriend? weder als antisexistische noch als anderweitig gesellschaftskritische Mediensatire funktioniert.

Sexismus wird in Who wants to fuck my girlfriend? nicht kritisiert, sondern von der Mainstreamgesellschaft abgespalten und in den als "geistig zurückgeblieben" dargestellten Uwe Wöllner eingelagert. Damit wird sowohl ein großer Teil des Publikums als auch die Kulturindustrie als Ganze exkulpiert. Die kann schließlich auch nichts für karriere- und geldgeile "Produzenten" vom Schlag eines Gero Schorch und der wiederum kann nichts für sein eigenes Format, obwohl er weiß, dass es scheiße ist. Ein Opfer seiner selbst und des Systems. Letztlich fällt dann doch wieder alles auf Wöllner zurück, von Schorch mit ableistischen Schimpfwörtern bedacht, um dem Publikum zu verdeutlichen, wie es zu der Sendung kam: "Spasti-Hirn, Spasti-Idee". So ist das also...

Die Rolle des Produzenten

Der skrupellose, menschenverachtende Produzent, der im Hintergrund die Fäden zieht und Wöllners sexistische Naivität berechnend zu Quoten und Geld macht, ist eine recht holzschnittartige Figur, die das Format weder rettet noch in seiner eigenen Logik sonderlich bereichert. Seine Funktion scheint lediglich die zu sein, explizit zu machen, was die Wöllner-Figur nicht explizit machen kann:
Gegenstand der Satire sind nicht gesamtgesellschaftliche Sexismen und ihre mediale Reproduktion, sondern kritische, feministische Medienkonsumentinnen, die nicht den Mund halten, sondern sagen, was sie stört.

Es stellt sich die Frage, welche gesellschaftliche Relevanz ein sich lustig machen über feministische Kritik haben soll, wenn man bedenkt, wie patriarchal und sexistisch das deutschsprachige Fernsehen - sowohl was die Produktionsverhältnisse als auch was die Inhalte betrifft - nach wie vor in weiten Teilen ist. Feministische Medienkritik erfolgt fast ausschließlich von außen und fast immer in der Freizeit der Kritikerinnen.

Die Sender ignorieren diese Kritik in den meisten Fällen. Wenn es gar nicht mehr anders geht, wird punktuell verbal zurück gerudert. Grundlegende Änderungen oder gar ein aktives konzeptionelles Einbeziehen feministischer Medienkritik, bleibt hingegen aus. Die neuste Produktion von Ulmen.tv hat primär eines geleistet: Kritischen BloggerInnen noch mehr Zeit und Kraft zu stehlen, als ihnen der Kampf gegen den alltäglichen medialen Wahnsinn ohnehin schon kostet.

Nicht mein Humor.

Who wants to fuck my girlfriend? ist eine feige, projektive Art von Satire, der jegliche Haltung fehlt. Gelacht wird über die Anti-Identifikationsfigur Uwe Wöllner und - zumindest am Beginn der Sendung sowie in der lustig gemeinten Vorab-Online-Kommunikation der Sendungsverantwortlichen - über die "aufgebrachte[n] Feministinnen". Meinen Humor-Geschmack trifft das nicht. Den würden Mediensatiren treffen, die ihr Publikum nicht in der Gewissheit zurücklassen, dass es über Sexismus und andere *ismen erhaben sei; gemacht von Menschen, die sich in Interviews selbstreflexiver und weniger selbstherrlich als Christian Ulmen äußern.


8 Kommentare:

  1. Wenn man den Begriff Satire ins Gegenteil verkehren muß um ihn hier als Entschuldigung anwenden zu können sollte das den Verteidigern doch zeigen, dass es keine ist. Satire kommt immer von unten. Neurotypische Männer, die "Chicks" und "Spastis" lächerlich machen sind keine Satire sondern die Normalität, hier eben in einer Witzisch-Hülle.

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  2. Beim STANDARD wird WWTFMGF positiver gesehen:
    "Die humane Grundbotschaft: gleichgeschlechtliche Zuneigung ist ganz normal. So. Jetzt darf das Format nur nicht wegen Harmlosigkeit ein vorzeitiges Quotenende finden."

    http://derstandard.at/1360681681238/Who-wants-to-fuck-my-girlfriend-Erregt-es-Sie

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  3. Klasse Artikel, nur die Bezeichnung "geistig zurückgeblieben" - auf Uwe Wöllner bezogen - finde ich problematisch. Dieser Begriff sollte nicht als Negativbeschreibung für einen extrem unsympathischen Menschen gebraucht werden. Auch das ist eine ableistische Aussage.

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    1. Danke für den Hinweis. Du hast vollkommen recht, weshalb ich die Formulierung "den geistig zurückgebliebenen Uwe W" gegen "den als geistig zurückgeblieben dargestellten Uwe W" getauscht habe.

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  4. Ich bin mir nicht sicher, ob das die Aussage so viel besser macht... denn damit wird noch immer impliziert, dass "geistig zurückgeblieben" negativ behaftet, etwas schimpfwortartiges sei. Mit dem "dargestellt" verliert das "geistig zurückgeblieben" noch nichts von seinem Stigma.

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    1. Das Problem ist meiner Ansicht nach, dass die Figur das zu einem gewissen Grad impliziert (vgl. diverse Online-Artikel, die ähnliche Zuschreibungen verwenden). Ich weiß leider nicht, wie ich das besser formulieren kann. Hast du Vorschläge?

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  5. Ich verstehe, was Du meinst und muss ein bisschen darüber nachdenken. Wenn mir etwas einfällt, melde ich mich zurück.

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  6. Ich kann darueber lachen, also scheint es sehr wohl auch satirisch verstanden zu werden...

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