Drei Castingshows im Vergleich: Deutschland sucht den Superstar (RTL), Helden von morgen (ORF eins) und Austria's next Topmodel (Puls 4).
Deutschland sucht den Superstar
Zunächst die gute Nachricht: Dieter Bohlen wurde von der Produktionsfirma weitgehend entmachtet. Die schlechte Nachricht: Für das Fernsehpublikum wird das weitgehend unbemerkbar bleiben.
Dieter Bohlens Karriere: ein Mysterium. Vom Kommunisten zum Diplomkaufmann und danach „Pop Titan“. Nicht weniger mysteriös ist sein Verhalten während der Castings: Was für Notizen macht sich Dieter Bohlen, während sich die potentiellen Superstars die Stimme aus dem Hals schreien? Möglichst "originelle" Beschimpfungen für nachher? Ideen für den nächsten Band seiner Memoiren?
In der Jury gab es vor dieser Staffel (wieder einmal) gravierende Veränderungen: Alle Jurymitglieder, die nicht Dieter Bohlen heißen, mussten gehen. Berufstochter Nina Eichinger wurde etwa durch Fernanda Brandao ersetzt, deren Ex-Freund indirekt ein bisschen Skandalpotential in die Sendung brachte. Der nennt sich nämlich Bushido, ist aus Bonn und hat einen Friseur. Betrachtet man das tote Streifenhörnchen, dass Bushido auf dem Kopf hat, mag man zwar anderes vermuten – es ist aber scheinbar so. Dieser Friseur heißt Cosimo und sein Hobby sind schlechte Auftritte vor der Jury von Deutschland sucht den Superstar. Nachdem die Jury Cosimo auch dieses mal weitgehende Talentlosigkeit bescheinigte, kam es zum Eklat. Stellvertretend für den abwesenden Ex-Freund beschimpfte er Fernanda Brandao sexistisch. Trotzdem lässt sich nur schwer sagen wer in dieser Sache unterirdischer agiert hat: Bushidos Friseur oder RTL und Deutschland sucht den Superstar, die mit einer sexistischen Attacke Werbung für die Sendung und in weiterer Folge Quote machten.
Ansonsten bleibt das Meiste beim Alten: die „lustigen“ Animationen der RTL-Kreativabteilung folgen noch immer der Dramaturgie von Family Guy und nach wie vor wird suggeriert, die KandidatInnen würden ohne Vorauswahl direkt zu Bohlen, Brandao und dem anderen Typen vorgelassen.
Die im Fernsehen präsentierten KandidatInnen können grob in fünf Kategorien eingeteilt werden. Ihr Erfolg ist aus der Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe prognostizierbar. Da hätten wir (1) den Loser. Er oder sie dient der allgemeinen Belustigung, wird vor Millionenpublikum erniedrigt und fliegt garniert mit einem Haufen lächerlicher Grafiken im hohen Bogen raus. Das ist zwar nicht nett, aber hey, „That's Entertainment“ (...lalalalala). Einem anderen Inszenierungskonzept folgt (2) die Tragödie. Selbige ist wahlweise (a) chronisch krank, (b) unschuldig langzeitarbeitslos, hat (c) einen toten Vater oder (d) eine krebskranke Mutter. Kann die Tragödie singen, ist die Sache perfekt. Falls nicht wird sie nicht ganz so schlecht behandelt wie der Loser, weil das aufgrund von (a), (b), (c), oder (d) irgendwie unpassend wäre. Interessant ist auch der Umgang mit (3) dem mittelmäßigen Model. Das mittelmäßige Model kommt immer in den Recall. Mittelmäßig und nicht aussehen wie aus dem Bildbearbeitungsprogramm bringt hingegen das sichere frühzeitige Karriereende. Dann gibt es noch (5) Menschen die gut singen können. Die kommen weiter, werden jedoch spätestens während des Abstechers in die Südsee a.k.a. "die Bikini-Runde" nach lookistischen Kriterien ausselektiert.
Zusammengefasst: Schöne Menschen können fast immer gut singen, schaffen es in die Mottoshow und haben das Zeug zum Superstar. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Helden von morgen
Ein Versuch des ORF, sich als öffentlich-rechtlicher Sender vom Privat-TV-Pöbel abzuheben. Im Unterschied zu Deutschland sucht den Superstar bleibt den Menschen, die sich bei Helden von morgen bewerben, Erniedrigung vor einem Millionenpublikum weitgehend erspart – allerdings nur deshalb, weil die Sendung kein Millionenpublikum erreicht. Erniedrigung vor ein paar hunderttausend ZuschauerInnen findet durchaus statt. Sei es durch Vorführung vermeintlich unbegabter BewerberInnen oder mit gleichermaßen gutgemeinten wie sexistischen Tipps, frau sollte auf der Bühne besser weniger, dafür aufreizenderes, anziehen.
Eine Besonderheit des Formats sind die exhumierten Popmusik-Leichen, die den KandidatInnen vor jeder Sendung mehr oder weniger nützliche Tipps geben. Darunter Kim Wilde und Kool Bell, Sido sowie (in Österreich scheinbar unvermeidbar) Rainhard Fendrich und Christina Stürmer.
Die bizarrste Begegnung (bisher!) war in der Show vom 21. Jänner 2011 zu sehen, in der Marilyn Manson und Rainhard Fendrich die KandidatInnen abwechselnd choachen durften. Der absolute Tiefpunkt in der Karriere von Marilyn Manson und der Höhepunkt in der von Rainhard Fendrich in einer Show! Bis auf ein bizarres Marilyn Manson/"I am from Austria" Medley (danke ORF!) war Fendrich/Manson allerdings eindeutig nicht die spannendste Begegnung des Abends. Vielmehr kam es zwischen Jurymitglied Sido (der karrieretechnisch mutmaßlich auch schon bessere Zeiten erlebt hat) und Coach Manson zu Konflikten. Letzterer bezeichnete Ersteren unter anderem als "Simon Cowell with a beard that can't get layed". Besonders peinlich wurde es als Sido versuchte auf die verbalen Untergriffe von Manson zu regieren und ihm mehrmals empfahl er solle doch wieder Fledermäußen den Kopf abbeißen. Sido verwechselte tatsächlich Marilyn Manson mit Ozzy Osbourne und es war live im Fernsehen zu sehen! Alleine aufgrund dieser Peinlichkeit hat sich das Einschalten gelohnt.
Austria's next Topmodel
Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um die kleine österreichische Schwester von Germany's next Topmodel (ProSieben). Alles was an letzterem sowie dem Ursprungsformat America’s Next Top Model (UPN/The CW) kritisiert werden kann, liegt auch beim österreichischen Ableger im Argen. Genannt seien hier nur kurz die implizite Propagierung von Essstörungen sowie Erziehung zu Autoritätshörigkeit und Verherrlichung von Konformität.
Als ob das alles noch nicht schlimm genug wäre, fügt Austria's next Topmodel dem noch eine rassistische Komponente hinzu. Jurorin Elvyra Geyer gibt auf der Homepage von Puls 4 ihre rassentheoretischen Überlegungen zum Besten: „Ich persönlich bin der Meinung, dass Österreich generell ein genetisch sehr vermischtes Volk ist, hier gibt es zu viele Einflüsse von zu vielen Völkern. Wenn man sich viele osteuropäische Mädchen anschaut, dann sieht man sehr klare Einflüsse. Die sind sehr groß, sehr schlank mit sehr hohen Backenknochen und wenig Cellulitis, warum auch immer.“ Klingt irgendwie ganz schön rassistisch, warum auch immer.
Bei einer solchen Jurorin ist es wenig verwunderlich, dass es in der Show selbst ebenfalls zu einschlägigen Vorfällen kam. Kandidatin Magalie beschimpfte Kandidatin Lydia rassistisch, worauf Magalie die Show zu recht verlassen musste. „Gut gemacht Puls 4“, könnte man jetzt sagen. Allerdings warb der Sender mit der Beschimpfung für die Show und nutzte so eine rassistische Beleidigung zu Marketingzwecken. Aber zumindest die Quote stimmt. Außerdem konnte Puls 4 die Sache auch noch in seiner Diskussionssendung Talk of Town zweitverwerten. Auch da stimmt die Quote.
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