Kirchen - in Österreich insbesondere die römisch-katholische - sind nach wie vor ein gesellschaftlicher Machtfaktor. Religionsgemeinschaften genießen hierzulande zahlreiche Privilegien und werden mit staatlichen Geldern großzügig subventioniert.
Um dagegen anzugehen, wurde das "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien" gestartet. Die beanstandeten Privilegien sind vielfältig, mal mehr und mal weniger skurril und erstrecken sich von symbolischen Aspekten bis hin zu einem latent zugunsten der Kirchen ausgerichtetem Rechtssystem.
Obwohl (oder gerade weil?) die römisch-katholische Kirche eine der größten Immobilienbesitzerinnen in Österreich ist, sind staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften vom Stiftungs- und Fondsgesetz ausgenommen und viele kirchliche Einrichtungen von der Grundsteuer befreit. Spenden an die Kirche und nicht zuletzt die Kirchensteuer selbst sind steuerlich absetzbar.
Außerdem sind Kirchenangehörige sowohl von der Stellungspflicht als auch von Wehr- und Zivildienst befreit. Zugleich nehmen kirchliche Einrichtungen wie die katholische Caritas oder die evangelische Diakonie ihrerseits viele Zivildienstleistende in Anspruch und werden damit wiederum staatlich quersubventioniert.
Bevor wir zum ORF kommen, seien noch weitere Missstände wie die staatliche Alimentierung von Militärseelsorgern und Militärbischöfen (für gesegnetes Töten?) oder die Finanzierung kirchlicher Schulen und Kindergärten aus Staatsgeldern (während sich Alternativschulen größtenteils privat finanzieren müssen) erwähnt. Auch ReligionslehrerInnen werden von den Religionsgemeinschaften ausgesucht aber vom Staat bezahlt, was mitunter einer Subventionierung von AbtreibungsgegnerInnen (siehe "Kinder, bitte verhütet nicht!" - Die Zeit, 22. März 2007) und Antisemitismus (siehe "Umstrittener Lehrer geht" - Der Standard, 13. Februar 2009) gleichkommt.
Innerhalb des ORF sind die Religionsgemeinschaften nicht weniger privilegiert. Per Gesetz sind VertreterInnen der Kirchen sowohl im Stiftungsrat als auch im Publikumsrat vertreten. Der öffentlich-rechtliche Sender ist vertraglich dazu gezwungen ausführliche Belangsendungen im Bereich Religion zu produzieren und auszustrahlen. Sehr zurecht werden diese Sendungen von den InitiatorInnen des aktuellen Kirchenvolksbegehrens als "vielfach vatikannah" bezeichnet.
Fast schon eine Parodie eines Religionsmagazins ist die Sendung Orientierung (Slogan: "prägnant, qualitätsvoll und unterhaltsam" - zumindest letzteres stimmt), die jeden Sonntag auf ORF 2 ausgestrahlt wird. Über weite Strecken erinnert der dort in Bezug auf die römisch-katholische Kirche betriebene Verlautbarungsjournalismus an die Zeit im Bild Berichterstattung über die ÖVP/FPÖ-Regierung in den frühen 2000er Jahren – nur dass es im konkreten Fall um Gott und seine selbsternannten Stellvertreter[Innen?] auf Erden geht statt um Wolfgang Schüssel, Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider.
Den Ruf ein kritisches Religionsmagazin zu sein hat – unverständlicherweise sogar bei den InitiatorInnen des Volksbegehrens – die Sendung Kreuz & Quer (ebenfalls ORF 2). Also ausgerechnet jene Sendung zu deren ModeratorInnenstab unter anderem Heinz Nußbaumer, seines Zeichens ehemaliger Pressesprecher von Kurt Waldheim, zählt. Ein ausgeprägter römisch-katholischer Bias ist auch bei Kreuz & Quer nicht zu leugnen. Allerdings mit einer eher linkskatholischen Ausrichtung, deren Grundprämissen jedoch nicht weniger kritikwürdig sind als die des Mainstreamkatholizismus, dessen gesellschaftspolitisches Feigenblatt Sendung wie Kreuz & Quer darstellen.
Abgesehen davon betreibt der ORF mit religion.orf.at eine religionsspezifische Internetpräsenz. Die Beschneidung der Onlineaktivitäten des ORF durch die jüngste Novelle des ORF-Gesetzes scheint daran – im Unterschied zum Nachrichtenangebot von orf.at (stark eingeschränkt!) und zur Futurezone (zwangsverkauft!) – fast spurlos vorübergegangen zu sein.
Die einseitige Rücksichtnahme auf christliche Feiertage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wäre ebenso zu kritisieren wie die regelmäßige Übertragung von christlichen Gottesdiensten. Allerdings nicht insofern als auch die Riten und Feiertage nicht christlicher Religionsgemeinschaften das Fernsehprogramm ergänzen sollen. Stattdessen sollte Religion generell Privatsache sein und sich nicht auf die Programmgestaltung von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern auswirken.
"Während ganz Österreich unter dem Sparpaket leidet", schreiben die InitiatorInnen des Anti-Kirchenprivilegien-Volksbegehren auf ihrer Homepage, "genießen Religionsgemeinschaften, insbesondere die römisch-katholische Kirche, in Österreich eine Sonderstellung auf Kosten der Allgemeinheit". Ein zumindest symbolisches Zeichen gegen diese Zustände kann man bis 15. Oktober 2011 setzen.
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