Für die Erfolge rechtsextremer PolitikerInnen sind nicht nur deren bescheuerte WählerInnen verantwortlich, sondern auch die Art der medialen Berichterstattung. Denn auch IdiotInnen müssen erst an ihre Marke gewöhnt werden. Diese Gewöhnungsphase wurde in Österreich sowohl durch das Fernsehen als auch durch Print-Medien aufregend und mitreißend gestaltet.
Viele mediale Dynamiken anno 2012 erinnern an das Spektakel, dass in den 1990ern den Aufstieg eines mittlerweile dank Vollrausch und rechts-außen Betonpfeiler dahingeschiedenen Kärntner Landeshauptmannes mit ermöglichte. Kaum eine Woche verging, in der sein Gesicht nicht von einem der landesweit erscheinenden Nachrichtenmagazine auf die LeserInnen herab blickte. Kaum eine politische Diskussionssendung in der er nicht gern gesehener - weil gute Quoten versprechender - Gast war.
Die Berichterstattung nahm zumeist für sich in Anspruch das Phänomen Jörg Haider kritisch zu betrachten. Der Aufstieg des Nazi-Sohns aus Oberösterreich ist jedoch das beste Beispiel dafür, dass auch vermeintlich kritische Medienberichterstattung das Objekt ihrer Kritik mitunter stärken kann. Das Medienspektakel zahlte sich für beide Seiten aus. Auflagen wurden erhöht und das Image des Tabus brechenden Volkstribun mehr gepflegt als beschädigt.
Die 2010er drohen diesbezüglich zu einer Neuauflage der 1990er zu werden - nur die Gesichter sind andere (auch wenn ihnen in vielerlei Hinsicht der schale Geschmack der Kopie anhaftet). Die regelmäßig vorgetragene Empörung, die sich bei JournalistInnen einzustellen pflegt, wenn rechtsextreme PolitikerInnen rassistische oder antisemitische Äußerungen tätigen, erinnert nicht selten an das legendäre Titanic-Cover "Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?". Wenn sich dann ausgerechnet JournalistInnen echauffieren, die sonst selbst nicht davor zurück schrecken, den rassistischen Normalzustand in Österreich - wenn es wieder einmal opportun ist - zu stärken, macht die ganze Sache noch fragwürdiger.
An eben jene JournalistInnen, RedakteurInnen und KommentatorInnen wäre die Frage zu richten, warum sie derartigen PolitikerInnen regelmäßig Plattformen bieten und damit letztlich antisemitische und rassistische Positionen noch salonfähiger machen, als sie es in Österreich ohnehin schon sind. In den vergangenen Wochen hatte die FPÖ eine unglaubliche mediale Präsenz, die nicht zuletzt aus der umfangreichen Reproduktion von Stilblüten aus diversen Parteiaussendungen besteht. Eine Doktorarbeit, die sich zu einem so hohen Anteil aus direkten und indirekten Zitaten zusammensetzt wie ein durchschnittlicher österreichischer Zeitungsartikel, wäre wohl ein leichtes Spiel für PlagiatsjägerInnen.
Auch die jüngsten antisemitischen und die Shoah verharmlosenden Äußerungen Heinz-Christian Straches wurden einfach nur reproduziert. Auf orf.at und derstandard.at sogar in den Überschriften der Artikel. Und obwohl klar sein sollte, dass Burschenschaftler nicht "die Juden von heute" sind, scheint es österreichischen JournalistInnen doch auffällig schwer zu fallen zu argumentieren, warum denn dem nun so sei.
Am Punkt und Club 2
Was für viele Print- und OnlinejournalistInnen gilt, trifft umso mehr auf die KollegInnen beim Fernsehen zu. Einerseits auf die aktuelle Berichterstattung - insbesondere aber auf die Diskussionssendungen.
Selbst wenn es aus den gerne vorgeschobenen demokratiepolitischen Notwendigkeiten einmal nicht notwendig wäre RechtsextremistInnen ins Studio zu bitten, werden sie eingeladen. Beispielsweise im Vorfeld der letzten ÖH-Wahlen, als ATV darauf bestand einen Vertreter einer rechtsextremen StudentInnenorganisation in die Diskussionssendung Am Punkt einzuladen und das obwohl diese Fraktion innerhalb der Österreichischen HochschülerInnenschaft defacto bedeutungslos ist (vgl. ÖH-Wahl 2011 - Seltsame Einladungspolitik bei "Am Punkt")
Beim öffentlich-rechtlichen ORF sieht es nicht besser aus. Eva Herman, die in deutschen Talkshows aus dem Studio geworfen und maximal noch dazu taugt esoterisch-verschwörungstheoretische Internet-"Nachrichten" zu moderieren, ist für den Club 2 (ORF 2) noch immer probater Gast, wenn es darum geht sich über vermeintliche politische Überkorrektheit zu beklagen. Politisch überkorrekt ist es für die Club 2 Redaktion übrigens, die NS-verharmlosenden und letztlich antisemitischen Äußerungen von Maria Fekter im Herbst 2011 als ebensolche zu bezeichnen. Das suggeriert man zumindest mit dem Titel der Diskussion ("Politisch Überkorrekt - was darf man noch sagen?").
Anlässlich des WKR-Balls 2012 lud die Redaktion gleich zwei deutschnationale Burschenschaftler und einen nicht weniger am rechten Rand agierenden Universitätsprofessor in den Club 2 ein. Ariel Muzicant, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, erzählte während der Sendung von seinen durch die Nazis ermordeten Angehörigen, worauf einer der Burschenschafter unterbricht und einwirft, auch er sei Opfer - seine Verwandten seien schließlich 1945 aus den vormaligen deutschen Ostgebieten vertrieben worden. Diese Aussage hatte weder einen Rauswurf, noch eine Ermahnung von Seiten der Moderatorin Eva Rossmann zur Folge. Rossmann reagierte auf den verharmlosenden Vergleich des Burschenschaftlers sogar mit der Aussage, dass die Vertreibungen ein anders spannendes Thema seien, man es nur leider nicht im Rahmen dieser Sendung diskutieren könne. Ein passendes Twitter-Posting hierzu: "Nein Frau Rossmann, Vergleich von Holocaust mit Morden an 'Volksdeutschen' ist KEIN anderes spannendes Thema, sondern Verharmlosung!"
Besser gar nicht berichten?
Natürlich kann es keine Alternative sein rassistische und antisemitische Bewegungen medial totzuschweigen. Die Berichterstattung sollte jedoch nicht dabei helfen potentielle FührerInnen und ihr Image als ebensolche zu stärken. Vielmehr wäre es angebracht die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge, unter denen derartige Strömungen erfolgreich sein können, zu betrachten. Dies würde voraussetzen, dass sich JournalistInnen mit Rassismus und Antisemitismus im Kontext eines postnationalsozialistischen Österreich auseinander setzen und nicht nur in einer - oftmals verharmlosend als "rechtspopulistisch" bezeichneten – Partei verorten. Es sei daran erinnert, dass sowohl SozialdemokratInnen als auch Christlich-Soziale in Österreich nach 1945 Koalitionen mit dem mal mehr, mal weniger offen rechtsextrem agierenden "Dritten Lager" eingegangen sind. Es ist also der politische Mainstream Österreichs, der deren Positionen über Jahrzehnte hinweg in Gesetze gegossen hat - und das mitunter auch ohne direkte Regierungsbeteiligung der FPÖ.
Oft bleibt der Eindruck zurück, dass JournalistInnen, PolitikerInnen und manche AntifaschistInnen geradezu dankbar dafür sind, dass es in Österreich eine große rechtsextreme Partei gibt, die es ihnen trotz ihrer Rassismen, Sexismen und Antisemitismen ermöglicht als "die Guten" oder das dieser Tage wieder viel zitierte "andere Österreich" dazustehen. Genau dadurch machen sie sich jedoch eher zu einem Teil des Problems, als zu einem Teil der Lösung.
Zum Abschluss noch ein positives Beispiel für Berichterstattung über rechtsextreme Tendenzen: Auch das ZDF berichtete über den WKR-Ball in Wien und im Gegensatz zu vielen österreichischen KollegInnen gelang es den GestalterInnen des Beitrags über Rechtsextremismus in Österreich zu berichten, ohne selbigen zu Verharmlosen und seinen ProponentInnen eine mediale Plattform unter dem Vorwand von vermeintlicher "Ausgewogenheit" zu bieten. JournalistInnen in Österreich: Seht zu und lernt!
Vielen Dank für diesen wichtigen Kommentar!
AntwortenLöschenEs ist ein Moment beruhigend, dass auch solche Kommentare gibt.
AntwortenLöschenMan darf hier die Konsumenten nicht ausser acht lassen. Wenn eine Sendung, in der Rechtsextremes Gedankengut verbreitet wird einfach nicht mehr angeschaut wird (oder nicht vermehrt) dann wird sich das auch geben. In .at zieht das Thema noch immer Konsumenten an.
AntwortenLöschenWir wissen, wer die Rechten in .at sind und wie sie Denken. Wir muessen uns nicht jedes mal, wenn sie was fallenlassen buecken und das aufs Podest heben.