Sexismus gibt es nicht nur in den Niederungen des Privatfernsehens, sondern auch bei den öffentlich-rechtlichen Kanälen. Einige aktuelle Beispiele - kurz verlinkt.
Manchmal bekommt man den Eindruck, die öffentlich-rechtlichen Sender sind dabei, sich quasi selbst aufzugeben. So ununterscheidbar sind sie mittlerweile von ihrer privaten Konkurrenz. Sexismus hat jedoch in beiden Ausprägungen des dualen Rundfunksystems eine lange Tradition - und zwar sowohl in den Strukturen als auch was Form und Inhalt einzelner Sendungen betrifft. Doch selbst hier scheint sich etwas zu verschieben. Leider in die falsche Richtung.
In der Sendung Neo Paradise (ZDFneo) fordert Klaas Heufer-Umlauf seinen Kollegen Joko Winterscheidt auf, eine Messehostess zu begrapschen, was dieser auch tut. Er entschuldigt sich bei der Frau, verhöhnt sie aber wenig später zur Belustigung des Publikums. "Die fährt jetzt gleich nach Hause und dann wird die erst einmal schön heulen unter der Dusche, die steht dann sechs Stunden unter der Dusche", sagt Heufer-Umlauf zu Winterscheidt. Beide lachen. Das ZDF ging bisher nicht ernsthaft auf die zahlreichen Protestschreiben ein. Erst nach unzähligen Zuschriften und Protesten über diverse Social Media Plattformen bezeichnet Klaas Heufer-Umlauf den Übergriff auf Twitter als "einen Fehler" und kündigt eine weitere Stellungnahme an.
Am 14. Oktober 2012 empfängt Günther Jauch in seiner ARD Sendung den im Zweifel vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochenen ehemaligen Wettermoderator Jörg Kachelmann in Begleitung seiner Ehefrau Miriam Kachelmann. In der Sendung bekommen beide die Möglichkeit, für das Buch, das sie gemeinsam geschrieben haben, zu werben. Der Verkauf des selbigen wurde kürzlich gerichtlich gestoppt, weil die Kachelmanns darin den vollständigen Namen der Frau, die den Prozess ins Rollen gebracht hat, genannt haben. Nun inszeniert sich Kachelmann als Opfer (vgl. "Kotzen über Kachelmanns Parallelwelt"). Als "LKW-Ladung voller Lügen" wird Kachelmanns Vermarktungsstrategie auf maedchenmannschaft.net bezeichnet. Die Sendung ist alles andere als arm an verstörenden Verdrehungen und potentiell retraumatisierenden Aussagen. Die Textmontage "Der Fall Claudia D. - Was richtet ein Freispruch an?" zeigt, wie die Sendung stattdessen hätte laufen können.
Selbst Medien, die auf das Fernsehen - sei es nun öffentlich-rechtlich oder privat - ohnehin nur naserümpfend herabblicken, sind nicht davor gefeit, medial produzierte Verharmlosungslogiken zu reproduzieren. Im Theaterbereich sieht es diesbezüglich nicht besser aus. Die Basisgruppe Theater-, Film- und Medienwissenschaft hat einen offenen Brief verfasst, der sich gegen die Verharmlosung sexualisierter Gewalt im Zusammenhang mit dem Fall Assange richtet. Konkret geht es um eine Theaterperformance, die derzeit durch freie Spielstätten in Deutschland und Österreich tourt. Bevor Assange sich durch seine Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London dem Zugriff der schwedischen Justiz entzog, wurde auch er vom Fernsehen hofiert. Für den formalrechtlich privaten, jedoch staatlich finanzierten, russischen Auslandspropagandasender RT präsentierte er von April bis Juli 2012 die Politiktalkshow World Tomorrow (siehe "Julian Assange interviewt Hassan Nasrallah für den Sender von Vladimir Putin").
Alle geschilderten Beispiele eint, dass antisexistische Kritik weitgehend ignoriert wird und es die Verantwortlichen nicht notwendig finden ein Fehlverhalten einzuräumen, ihre Einladungspraxis zu überdenken oder ohnehin höchst fragwürdige Sendungskonzepte in Frage zu stellen. Stattdessen kommt es zu zweifelhaften Solidarisierungen, Täter/Opfer-Umkehrungen und sexistischen Attacken auf Kritikerinnen dieser Praxen. Sexismuskritische Berichterstattung in den Mainstreammedien findet hingegen kaum statt - erst recht nicht im Fernsehen.
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