Montag, 3. Dezember 2012

Doctor Who, "Turn Left" [Staffel 4, Folge 11]

Diese Folge der Science Fiction Serie Doctor Who (BBC Wales) spielt in einer dystopischen alternativen Realität, in der der 10. Doctor (David Tennant) frühzeitig gestorben ist. In der Folge treffen mit Rose Tyler (Billie Piper) und Donna Noble (Catherine Tate) zwei der interessantesten Figuren der ersten vier Staffeln der neuen Doctor Who Serie aufeinander.

"Turn Left" war die zweite Doctor Who Folge, die ich gesehen habe und zugleich die, die mir die Serie nachhaltig schmackhaft gemacht hat. Bis dahin kannte ich lediglich die letzten 20 Minuten von "The Satan Pit" (Staffel 2, Folge 9), die mich offenbar nicht dazu motiviert haben, mich eingehender mit Doctor Who zu befassen. Bemerkenswert finde ich, dass mich ausgerechnet diese Folge für die Serie begeistert hat, obwohl mir sämtliche Kontexte, sowohl zu den älteren Doctor Who Folgen als auch zu den Spin-off Serien Torchwood (BBC Wales) und The Sarah Jane Adventures (CBBC) fehlten. "Turn Left" ist eine Art verhindertes Crossover sämtlicher unter der Ägide von Russell T Davis und Julie Gardner entstanden Serien des Doctor Who Universums und bildet den Auftakt für das tatsächliche Crossover, das in den anschließenden Folgen stattfindet. Dennoch scheint die Folge auch für sich allein zu funktionieren (oder tat es zumindest bei mir).

Rechts oder links

Manchmal sind es kleine Entscheidungen, die große Konsequenzen nach sich ziehen. Etwa die Entscheidung zwischen rechts und links. "If you turn right you'll have a career" hat Donnas Mutter (Jacqueline King) ihr einst vom BeifahrerInnensitz aus empfohlen. Doch Donna entschied sich links abzubiegen, wodurch sie den Doctor kennenlernte und ihm das Leben rettete. In dieser Folge wird die Vergangenheit manipuliert, Donna biegt rechts ab, der Doctor stirbt und eine alternative Realität entsteht, in der sie keinerlei bewusste Erinnerung an den Doctor hat.

Alle Katastrophen, die der Doctor und seine Companions verhindert haben, treten ein. Zunächst das für Weihnachten im Doctor Who Universum quasi typische Massensterben im Zuge dessen auch der Doctor, der durch Donnas Abwesenheit in dieser Zeitlinie auf sich allein gestellt ist, stirbt. Im Unterschied zu sonst, kommt es zu keiner "Regeneration". Donna wird Zeugin, wie der tote Körper des Doctors in einen Krankenwagen gehievt wird. Kurz darauf kommt es zu einer ersten Begegnung mit Rose, die seit einiger Zeit in einem Paralleluniversum lebt (so wurde sie aus der Serie rausgeschrieben), dieses nun jedoch zeitweise verlassen kann. Später erfährt das Publikum aus den Nachrichten vom Tod von Martha Jones (Freema Agyeman), dem Companion aus der dritten Staffel, der vom Doctor, kurz nach ihrer ersten Begegnung mit ihm gerettet wurde. Als das Titanic-Raumschiff, das der Doctor einst vor dem Absturz bewahrte (damals spielte übrigens Kylie Minogue den Companion), in den Buckingham Palace stürzt, kommt es zu einer Nuklearexplosion.

Ab diesem Punkt bespielt die Folge das traditionell gesellschaftskritikaffine Genre Dystopie. Die Überlebenden der Nuklearkatastrophe werden in die noch intakten Teile Großbritanniens gebracht. Donna, ihre Mutter und ihr Großvater (Bernard Cribbins) müssen nach Leeds, wo sie bei einer Großfamilie, die ein Reihenhaus bewohnt, einquartiert werden. Das Militär deportiert besagte Großfamilie, nachdem ein neues Gesetz, das mit dem rechtsextremen Slogan "England for the English" referenziert wird, beschlossen wurde, in ein "Labour camp". Was mit ihnen geschehen wird, bleibt unklar. Eine Lesart, derzufolge sie nicht überleben werden, wird jedoch nahegelegt.

Rose und Donna

Das Problem mit der alternativen dystopischen Realität wird dadurch gelöst, dass Donna eine Zeitreise in die Vergangneheit unternimmt und sich opfert. Die Tragweite dieses Selbstopfers wird in folgendem Dialog zwischen Donna und Rose - unmittelbar vor der Zeitreise - angedeutet:
Donna: I'm ready! (...) 'Cause I understand now. You said I was gonna die, but you mean this whole world is gonna blink out of existence. But that's not dying! 'Cause a better world takes its place. The Doctor's world! And I'm still alive! That's right, isn't it? I don't die. If I change things, I don't die. That's... that's right, isn't it?
Rose: I'm sorry.
Donna: [schreit] But I can't die! I've got a future! With the Doctor! You told me!
Donna muss sich opfern. Nicht nur um vielen Menschen und dem Doctor das Leben zu retten, sondern um am Ende der Folge die Rettung des ganzen Universums in die Wege zu leiten. Dennoch geht sie - nachdem sie nach anfänglicher Euphorie für das Selbstopfer durch die Reaktion von Rose die gesamte Tragweite erahnt - nicht erhobenen Hauptes in den Tod. Die letzten Blicke, die Donna und Rose wechseln, sind von Verzweiflung ob des Opfers, das diese Gesellschaft einem Individuum abverlangt, gezeichnet.

Letztendlich geht es glimpflicher aus, als in dieser Szene angedeutet. Donna stirbt zwar in der alternativen Realität, stellt damit aber die ursprüngliche Zeitlinie wieder her, ist in selbiger wieder Companion des Doctors und überbringt ihm die entscheidende Botschaft von Rose: "Bad Wolf", die Warnung vor dem drohenden Weltuntergang, die sich wie ein roter Faden durch die erste Staffel der Serie zog (zur ersten Staffel siehe "I don't know if it's Marxism in action or a west end musical")

Die beschriebene Folge ist insofern bemerkenswert, als der Doctor als weitgehend nicht in Erscheinung tretendes episches Subjekt fungiert, während Donna und Rose zu zentralen ProtagonistInnen werden. Die von der Komikerin Catherine Tate gespielte Donna und die von dem schauspielenden Popsternchen Billie Piper gespielte Rose, stehen für zwei sehr unterschiedliche Konzepte von Companions. Es war naheliegend, dass Donna starke komödiantische Züge ins Drehbuch geschrieben bekommt. Alles andere wäre einer Vergeudung von Tates schauspielerischem Potential gleichgekommen. Donna wird als eher skurrile Enddreißigerin dargestellt, die weder mit Männern noch in beruflicher Hinsicht besonders viel Glück hat, von Selbstzweifeln geplagt ist und allgemein dazu tendiert, tollpatschig zu agieren und extrem aufbrausend zu reagieren. Mit Rose kehrt in "Turn Left" hingegen eine ganz andere Art von Companion in die Serie zurück. Sie wurde in der ersten Folge als Aushilfskraft, die mit ihrer alleinerziehenden Mutter (Camille Coduri) in einer Londoner Sozialwohnung lebt, in die Serie eingeführt und war zentral für die Traumabewältigung des von Christopher Eccleston gespielten 9. Doctors (siehe dazu: "A Veteran of The Last Great Time War"). Beide haben gemeinsam, dass sie den Doctor wiederholt vor sich selbst schützen müssen, was in beiden Fällen mit einer Art von posttraumatischer "Überlebensschuld" auf Seiten des Doctors in Verbindung gebracht wird. Rose, die sich im Verlauf der Serie zur genuinen Action-Heldin entwickelt hat, fungiert in dieser Folge als Stichwortgeberin für Donna, die quasi der Gegenentwurf zu diesem Bild ist.


1 Kommentar:

  1. Wieder so ein Artikel, dessen Schlussfolgerungen nur für Leute, die Adorno gelesen haben, nachvollziehbar sind.

    AntwortenLöschen