Ich sollte einfach nicht ATV schauen. Erst recht nicht, wenn ich auf Twitter lese, was der Sender jetzt wieder verzapft hat. Leider habe ich es doch getan. Deshalb findet sich an dieser Stelle kein Artikel über sehenswertes Fernsehen. Stattdessen gibt es einen Einblick in eine abstruse (Fernseh-)Welt, in der AusländerInnen kriminell sind (auch wenn sie es nicht sind) und die Polizei immer recht hat (selbst wenn sie falsch liegt).
Konkret handelt es sich um ATV Die Reportage (Untettitel: "Die Sperrmülljäger") vom 28. März 2011. In der Folge geht es um Menschen, die während der öffentlichen Sperrmüllsammlungen mit Autos durch die jeweiligen Dörfer fahren und aus unterschiedlichen Motiven im Wohlstandsmüll nach Brauch- und Verwertbarem suchen.
Zu diesem Thema trägt ATV viel ungeprüftes, viel gemutmaßtes und wenig wirklich recherchiertes zusammen. Ähnlich wie bei manch anderer Sendung von ATV, tendiert diese Reportage - sobald die Polizei ins Bild kommt - zu sehr parteiischer Berichterstattung. Primäres Ziel der Polizei ist es - wieder einmal - Ausländerinnen und Ausländer zu schikanieren. ATV sieht das scheinbar nicht so und suggeriert stattdessen, dass Müll sammeln und Schwerverbrechen quasi Hand in Hand gehen. Die von den willkürlichen Razzien Betroffenen kommen dabei nicht zu Wort. Selbst bei einem Mann, der sogar laut Aussage eines Polizisten "sehr unverdächtig" ist, wird - lediglich aufgrund der nicht österreichischen StaatsbürgerInnenschaft - per Datenbank recherchiert, ob er nicht doch "irgendwo gesucht wird".
Dinge, die man sich denkt, wenn man "gewisse Typen anschaut"
Er wird nicht gesucht. Und was sagt die Off-Stimme von ATV dazu? Die sagt gar nichts und suggeriert damit, dass diese ausschließlich aufgrund der Herkunft der Beamtshandelten stattfindenden Razzien vollkommen unproblematisch seien. Dafür legt der Polizist dankenswerterweise selbst seine - naja, nennen wir es - "Fahndungsstrategie" (mit riesigen Anführungszeichen) offen, die da lautet: "Wenn man sich gewisse Typen anschaut, dann denkt man sich schon etwas."
In diesem Stil geht es weiter. ATV macht sich gemeinsam mit einem österreichischen Sperrmüllsammler - der im Unterschied zu einigen seiner ausländischen KollegInnen nicht als potentieller Krimineller dargestellt wird - auf den Weg in die Slowakei. Gemeinsam mit einem slowakischen Begleiter fahren sie zur Schnäppchenjagd in eine Roma-Siedlung. Der ATV Kommentator kontextualisiert pauschalisierend: "In Roma-Dörfer zu fahren, ist für Ausländer nicht ganz ungefährlich." Und um diese These zu untermauern, heißt es weiter: "Aufgrund der hohen Kriminalität, lässt sich selbst die slowakische Polizei in diesen Dörfern nur selten blicken". Ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Nicht nur die großartige österreichische Polizei, sondern SELBST die slowakische Polizei, lässt sich dort nicht Blicken. Und obwohl die Instanz, die so etwas wie Kriminalität feststellen könnte (a.k.a Polizei) sich - laut ATV - nur selten Blicken lässt, ist die Kriminalität hoch (aber wer misst die Kriminalität dann?). Wie viel Schwachsinn passt in einen Satz? (Spoiler: mehrere mögliche Antworten auf diese Frage kommen im nächsten Absatz)
Vermutlich sind die Behauptungen der Off-Stimme ohnehin nur eine vorauseilende Rechtfertigung für das danach gezeigte. "Das ist ein Schutzstock", erklärt uns der Begleiter des Schnäppchenjägers. "Wenn sie [die Roma, Anm. F.K.] einen schönen Stock sehen, haben sie ein bisschen Respekt. Zigeunern musst du ein bisschen Macht zeigen." Danach zeigt er, dass der Stock nicht nur ein Stock ist (was ja in Verbindung mit seiner Motivation schon schlimm genug wäre), sondern es sich in Wirklichkeit um einen Dolch handelt.
Und was hat der ATV Reporter dazu zu sagen? "Ist das zur Zierde oder ist es sicherheitshalber?" Eine Vorlage, dank der der Interviewte seinen rassistischen Monolog ungestört fortsetzen kann.
Und der Off-Kommentator? Was sagt der eigentlich dazu?
Der sagt wieder einmal gar nichts. Einige Minuten später stellt er dafür in Bezug auf einige alte Rasenmäher in der Roma Siedlung fest, dass diese "alle gestohlen sind". Wie er das herausgefunden haben will, bleibt er allerdings schuldig. (Vielleicht hat er einen Polizisten gefragt, der wegen der hohen Kriminalität nur selten da ist.)
Dinge, die ich mir denke, wenn ich ATV schaue
Musikalisch ist die Doku mit Klängen unterlegt, die in der Musikdatenbank von ATV mutmaßlich unter "Zigeunermusik.mp3" abgespeichert sind. Ein Interviewpartner, der gut deutsch kann, wird von ATV untertitelt. Dafür werden andere, die nicht deutsch können, nicht übersetzt.
In Anbetracht dessen wäre ich dafür, schlechtes Fernsehen, dass Rassismus und andere Herrschaftsformen aktiv reproduziert, in Zukunft mit der Floskel "einen ATV machen" zu umschreiben. Mit ATV Die Reportage, hat ATV wieder mal einen ordentlich ATV gemacht...
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