Aufgrund der aktuellen Ereignisse wurde der Große Preis von Bahrain abgesagt bzw. verschoben. Der autoritär regierte Inselstaat ist aber nicht die einzige Diktatur mit Formel 1 Grand Prix.
Wenn die Formel 1 und Bahrain etwas gemeinsam haben, ist es der Hang zur Abstrusität. Damit kann man sich durchaus in die Quere kommen – beispielsweise wenn ein (absurdes) Ritual dank (absurder) Gesetze verboten ist: Konkret geht es um das Siegerehrungs-Abspritz-Ritual (ich nenne das jetzt einfach mal so). Statt Champagner gab es in Bahrain dank Alkoholverbot Rosenwasser und das sprudelt so etwas von überhaupt nicht, dass die drei schnellsten Fahrer bei der Siegerehrung wie Opfer eines Phallussymbol-kritischen Sabotageaktes wirkten (danach aber wenigstens besser gerochen haben als sonst).
Sport, Medien, Gesellschaft
Sportgroßereignisse in autoritären Staaten sind - so wird gerne argumentiert - eine zweischneidige Sache. Natürlich setze man sich für Menschenrechte ein. Aber es ginge schließlich auch darum den Menschen Freude zu bringen und sie von ihrem tristen Alltag abzulenken. Sport sei gar ein Botschafter der Menschenrechte und könne zur Öffnung verkrusteter gesellschaftlicher Strukturen beitragen. PR-Abteilung großer Sportverbände, FunktionärInnen und unkritische JournalistInnen werden nicht Müde derartige Mythen zu verbreiten.
Global übertragene Sportgroßereignisse wie Olympische Spiele, Fußball-Weltmeisterschaften oder eben auch Formel 1 Rennen gehen nicht selten mit dem Ausbau staatlicher Überwachung, technischer Aufrüstung der Polizei und gezielter Repression gegen Teile der Bevölkerung einher. Die mediale Aufmerksamkeit bekommen zumeist nicht die Opfer dieser Politik, sondern primär die Sportveranstaltung. Eine mediale Dynamik, die schon in demokratischen Staaten problematisch ist, spitzt sich in diktatorisch regierten Ländern noch mehr zu (wie zuletzt bei den Olympischen Sommerspielen in Peking beobachtet werden konnte). Sportveranstaltungen in autoritären Staaten tragen fast immer zur Systemstabilisierung bei, lenken von gesellschaftlichen Widersprüchen ab und stärken damit die Mächtigen.
Sieht man sich die Rennkalender der Formel 1 Mitte der 1990er Jahre an, kann folgendes beobachtet werden: Es handelte sich um einen primär auf Europa zentrierten Sport mit punktuellen Ausflügen nach Südamerika bzw. Kanada, einem Intermezzo in Australien sowie einem weiteren in Japan. Gefahren wurde ausschließlich in demokratischen Staaten. Diese Zeiten sind mittlerweile aber endgültig vorbei.
Circuit de dictature
Seit 2004 gibt es den Großen Preis von China in Shanghai. China ist nicht nur das Land mit den meisten Todesurteilen weltweit. Es gibt weder freie Wahlen, noch Presse- und Versammlungsfreiheit. Oppositionelle werden systematisch verhaftet und verschleppt. Statt darüber zu berichten, schaut die Welt auf im Kreis fahrende Autos.
In Singapur wird seit 2008 gefahren. Der Stadtstaat ist theoretisch eine Republik mit einem gewählten Präsidenten und einem Parlament. Letzteres wird seit der Unabhängigkeit von einer einzigen Partei kontrolliert. Ersterer muss sich nur sehr sporadisch seinen WählerInnen stellen (und dann auch nicht wirklich). Versammlungsfreiheit gibt es auf dem Papier (und nur dort). Wer in Singapur mit mehr als drei Menschen öffentlich über Religion oder Politik diskutieren möchte, braucht dazu eine staatliche Lizenz. Die Medien werden zensuriert. Berichterstattung über die Formel 1 ist aber in Ordnung.
Nicht weniger autoritär sind die Verhältnisse in Abu Dhabi, dass seit 2009 sein eigenes Rennen hat. Abu Dhabi ist Teil der Vereinigten Arabischen Emirate. Sowohl die Stadt selbst als auch das gleichnamige Emirat und die staatliche Struktur darüber sind eine Art milliardenschwerer Familienbetrieb. Hauptquelle der Verfassung ist die Scharia, die punktuell mit westlichen Rechtsmodellen kombiniert wird. Zensur ist sowohl im Internet als auch in Printmedien an der Tagesordnung. Sogar importierte ausländische Zeitungen werden von den Zensurbehörden teilweise geschwärzt. Seit 2006 darf die Hälfte (!) der Nationalratsabgeordneten indirekt gewählt werden. Allerdings nur von einer Minderheit. Denn 80 Prozent der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebenden Menschen sind AusländerInnen. Der Reichtum des Landes fußt auf der systematischen Ausbeutung und Entrechtung von ArbeitsmigrantInnen zumeist ost- und zentralasiatischer Herkunft. Sie können sich die Tickets zum Großen Preis von Abu Dhabi mutmaßlich nicht leisten – haben aber große Teile der Rennstrecke gebaut.
Seit 2004 fanden in Bahrain, einem Land in dem politische Parteien Verboten und die Scharia – wie in Abu Dhabi – eine der Hauptquellen der Gesetzgebung ist, Formel 1 Rennen statt. Da das Königshaus derzeit mit saudi-arabischer Unterstützung Krieg gegen große Teile der Bevölkerung führt, wird Fernando Alonso zum Saisonauftakt nicht zum vierten mal mit Rosenwasser übergossen werden. Aber vielleicht schon wieder im Herbst (oder 2012).
Auch wenn sich der Grand Prix von Bahrain derzeit aufgrund der Proteste gegen das Regime nicht durchführen lässt, expandiert die Formel 1 weiter in autoritär regierte Staaten. Ab 2014 gibt es einen Großen Preis von Russland. Wladimir Putin wird dann voraussichtlich wieder als Präsident die Siegerehrung vornehmen können.
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