Sonntag, 20. Mai 2012

Enterprise, "Stigma" [Staffel 2, Folge 14]

2003 forderte Viacom seine ausführenden ProduzentInnen auf, im Rahmen einer "HIV awareness campaign" HIV und AIDS in den Serien des Konzerns zu thematisieren. Enterprise verpackte das Thema in einer Parabel.

Enterprise ist eine Prequel-Serie, die zeitlich rund 100 Jahre vor Star Trek: The Original Series (die mit Kirk, Spock und Co.) angesiedelt und zugleich die bisher letzte Star Trek Serie ist. Nach vier Staffeln wurde sie wegen zu schlechter Quoten abgesetzt.

Ambivalente VulkanierInnen

Die VulkanierInnen werden in Enterprise anders gezeichnet als in den anderen Star Trek Serien. Es gibt politische Spannungen mit den Menschen, die sich seit dem ersten Kontakt in einem paternalistischen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den VulkanierInnen wähnen.

Der auf Logik und Vernunft basierende Charakter der VulkanierInnen wird in Enterprise nicht als biologisch determiniert, sondern als Ergebnis einer gesellschaftlichen Entwicklung dargestellt. Dass diese weder abgeschlossen ist, noch konfliktfrei verläuft, wird erstmals in der von Phyllis Strong und Mike Sussman, nach einer Vorlage von Rick Berman und Brannon Braga, geschriebenen Folge "Fusion" (Staffel 1, Folge 17) klar.

In dieser Folge trifft die Crew der Enterprise auf eine vulkanische Minderheit, deren Angehörige sich gegen die von der vulkanischen Mehrheitsgesellschaft verlangte Unterdrückung von Emotionen zu Gunsten von Logik aussprechen. Es kommt zu einem unfreiwilligen Mind meld zwischen T'Pol (Jolene Blalock) und einem Angehörigen der Minderheit, bei dem sie sich mit dem Pa'nar Syndrome identifiziert.

Mind meld = Homosexualität / Pa'nar Syndrome = HIV

Eine Staffel später greifen Berman und Braga die Geschichte wieder auf. In "Stigma" wird erklärt, wie schlecht die Erkrankung erforscht ist und dass der Grund dafür die gesellschaftliche Ächtung jener Minderheit ist, in der sie vermehrt auftritt. Als Doctor Phlox (John Billingsley) versucht von vulkanischen Ärzten mehr über die Erkrankung zu erfahren, wird T'Pols Infektion aufgedeckt. Sie muss sich vor einer vulkanischen Ärztekommission rechtfertigen, die über ihre berufliche Zukunft entscheiden wird.

Es wird Druck auf T'Pol ausgeübt, sie solle sich verteidigen indem sie betont, kein Mitglied der Minderheit zu sein. T'Pol möchte sich jedoch nicht von der Minderheit distanzieren, weil sie in der Stigmatisierung anderer zum Preis der eigenen Rehabilitation den falschen Weg sieht.

Während des Verfahrens setzt Captain Archer (Scott Bakula) zu einer glühenden Verteidigungsrede an, in der wieder einmal die alte Star Trek Behauptung bemüht wird, wonach die Menschheit die Probleme der Vergangenheit überwunden und sich von Intoleranz und Bigotterie emanzipiert hätte. Wenig später outet sich einer der vulkanischen Ärzte und verrät zugleich, dass T'Pol gegen ihren Willen dem Mind meld unterzogen wurde. T'Pol selbst bleibt dabei, sich aus Solidarität mit allen Infizierten nicht zum Vorgang der Ansteckung äußern zu wollen. Letztlich darf sie ihren Job behalten, während der geoutete Arzt seine Position verliert. In "Kir'Shara" (Staffel 4, Folge 9) wird T'Pol schließlich von der Krankheit geheilt.

Warum nicht einfach Klartext reden?

KritikerInnen bemängeln, dass die Enterprise Produzenten mit "Stigma" einer direkten Thematisierung aus dem Weg gehen. "Why not have it be about gay people and AIDS directly?", fragt etwa John Ruch (siehe "'Trek's' AIDS episode not so bold", 5. Februar 2003). Um nur ja niemand vor den Kopf zu stoßen, flüchten die Star Trek MacherInnen zum wiederholten mal in eine projektive Parabel.

Dass gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen der Gegenwart in außerirdische Gesellschaften der Zukunft hineinprojiziert werden, ist sehr typisch für Star Trek. Eine Science Fiction Variante einer nur allzu geläufigen Abspaltungs- und Verdrängungsstrategie nach dem Motto: Rassistisch/sexistisch/homophob/... sind immer die Anderen.

Ähnlich verfuhr Jeri Taylor in der von ihr geschriebenen Star Trek: The Next Generation Folge "The Outcast" (Staffel 5 / Folge 17), die ich hier rezensiert habe. Dort verhandelt sie Homosexualität mit einer Parabel, die letztlich an der inkonsequenten Umkehrung der Verhältnisse scheitert. Der Enterprise Folge wäre zu gute zu halten, dass die gewählte Parabel stringenter und deshalb besser geglückt ist. Zwar nicht in Hinblick auf Homosexualität als solche - zumindest jedoch was den Zusammenhang von institutioneller Homophobie und der Ausbreitung des HI Virus betrifft.


1 Kommentar:

  1. Wenn sich die Drehbuchautor*innen von Star Trek dazu entschließen gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen, dann gleich in geballter Form. Ein anderer interessanter Aspekt dieser Episode ist nämlich die Denobalans–Parallelhandlung, die du unerwähnt lässt.

    Die haben offene polyamoröse Beziehungen. Konkret bedeutet das, dass ein Mann mit jeweils 3 Frauen verheiratet ist und die Frauen wiederum mit drei andern Männern. Commander Tucker, die Kirk/Riker-Figur bei "Enterprise", hat damit ziemliche Probleme.

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