Dienstag, 22. Mai 2012

Wie man es besser nicht macht... (II)

Rassismus zu kritisieren, indem man rassistische Begriffe reproduziert, ist eine denkbar schlechte Strategie. Umso mehr wenn die Kritik daran einfach abgeblockt und ein Kritiker hinauskomplimentiert wird.

Im Konkreten Fall ist sogar unklar, ob es es sich überhaupt um einen Kritik-Versuch gehandelt hat oder einfach nur um eine dieser pseudotabubrecherischen "Humor darf alles"-Einlagen, wie man sie von deutschsprachigen Comedians nur all zu gut kennt. Wahrscheinlich eher Letzteres. Anscheinend doch Ersteres.

Sarah Kuttner, die u.a. bei VIVA, MTV, ARD, ZDFneo und 3sat als TV-Moderatorin und Chatshow-Host in Erscheinung getreten ist, liest im Rahmen einer öffentlichen Lesung eine Stelle aus ihrem Buch vor. Die Sequenz handelt von einer Puppe, die stark an die im englischen Sprachraum verbreiteten Golliwogs erinnert. Sie drückt den Ekel, den sie beim Anblick der Puppe empfand aus. Dabei verwendet sie mehrfach einen rassistischen Begriff. Unklar scheint zudem geblieben zu sein, ob es sich um Ekel vor Puppe oder vor schwarzen Menschen gehandelt hat.

Nach der Vorstellung versucht ein Zuschauer Kuttner auf die Problematik dieser Sequenz anzusprechen und wird brüsk zurückgewiesen. Die Kritik an der Verwendung rassistischer Begriffe wird sowohl von Kuttner selbst, als auch von den Medien, die den Fall aufgreifen, ignoriert.

Auf der Facebook Seite von Sarah Kuttner ist lediglich diese Stellungnahme zu lesen:
"Das war ja wohl das furioseste Lesetour-Finale ever!
Direkt nach dem Signieren kam nämlich die Polizei weil einer von Euch mich angezeigt hat!
Habe eine professionelle Aussage gemacht und werde jetzt wohl Ehrenmitglied der Hamburger Polizei."
Kein Glanzstück kritischer Selbstreflexion. Ein Kommentar, den der langjährige VIVA Moderator Mola Adebisi unterhalb Kuttners Facebook Eintrag gepostet hat:
"Sarah Kuttner ist kein Rassist, sondern einfach nur minderbemittelt. Ich glaube nicht das Sie vorher reflektiert hat welche Auswirkungen eine solche Aussage hat. Darum kann Sie sich hier auch nicht äußern, weil Sie nicht weiß was Sie deeskalierendes sagen könnte. Beruhigt euch Sie hat schon häufiger rassistische Witze bei Viva gemacht und ist damit durchgekommen! Sie wird abwarten bis sich die Diskussion legt, ihr Manager wird sie ermahnen die Schwarzen in Ruhe zu lassen und dann geht alles wieder seinen gewohnten Gang! Ich würde mich freuen wenn Sie mal Juden Witze machen würde, dann wäre Ihre Karriere nämlich beendet! Mal ein Statement von einem N........r..... = Nigerianer mit deutschem Pass!"
Zu den letzten beiden Sätzen wäre anzumerken: Das wäre vielleicht in Deutschland so! In Österreich würde sie mutmaßlich wie Eva Herman regelmäßig in ORF Diskussionssendungen wie Club 2 und Im Zentrum eingeladen werden. Ansonsten beschreibt Adebisi die mediale Dynamik, die derartige Außerungen oftmals entfalten aber sehr treffend.

Hier noch ein thematisch passendes Video, in dem sehr schön gezeigt wird, dass man sich auch gänzlich anders humoristisch mit Rassismus auseinandersetzen kann:



(via der braune mob e.V. - media watch)

Links:
Rassistische Kritik, antisemitischer Antirassismus und mediale Relativierung
Die Sache mit Sarah Kuttner...

Siehe auch:
Wie man es besser nicht macht...


17 Kommentare:

  1. Zum vorletzten Satz im Kommentar von Mola Adebisi: Rassismus mit Antisemitismus aufheben? Geht's noch tiefer/dümmer?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hab ich mir auch gedacht. Ich wollte das Zitat aber nicht an dem Punkt abbrechen, an dem es problematisch wird.

      Löschen
    2. Das war auch richtig von dir. Sonst hätte das Zitat eine ganz andere Tendenz.

      Löschen
  2. Stimme Mola Adebisi vollkommen zu @ "Fernseher kaputt":Ich glaube nicht, dass es hierbei um die Aufhebung des Rassismus ging (einfach nochmal lesen und drüber nachdenken)(das wäre dann doch zu einfach, wenn auch gewisserweise wünschenswert), vielmehr darum die Dynamik im Umgang damit auf zu zeigen und -natürlich vor dem Hintergrund der deutschen "Nazigeschichte", sorry "sowas kommt von sowas" >gähn<- ein mögliches Szenario, wie es denn anders verlaufen könnte zu entwerfen. Es geht dabei um den "Kuttner -bitte -Schauze -halten- Apekt"
    Noch ein "N........r..... = Nigerianer mit deutschem Pass!""

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo?! Das wäre ÜBERHAUPT nicht wünschenswert: Antisemitismus ist nicht WÜNSCHENSWERT!
      Und sich gegen Rassismus zu wehren, indem man darauf verweist, dass in Deutschland bei Antisemitismus sofort mit Empörung reagiert werde und bei Rassismus nicht, ist nicht nur dämlich, es ist gefährlich.

      Löschen
  3. Ich geb dir zwar recht, was den österreichischen Umgang mit Antisemitismus betrifft. Viel besser läuft es in Deutschland aber nicht.

    Die Debatten über Grass, Möllemann, Hohmann wurden - sei es im Feulliton oder in der Bevölkerung - mehr als uneindeutig geführt. Dass Sarrazins Aussagen nicht nur rassistisch, sondern auch antisemitisch sind, wurde über weite Strecken ignoriert.

    Es kann sein, dass aus einer österreichischen Perspektive der Umgang mit Antisemitismus in Deutschland reflektierter wirkt. Molas Aussage ist aber eher eine Projektion eines Antisemitismus verharmlosenden Antirassisten, als eine realistische Einschätzung der deutschen Verhältnisse.

    AntwortenLöschen
  4. @"Anonym22. Mai 2012 22:51" ich denke Mola will nicht den Antisemitismus verharmlosen indem er ihn mit Rassismus gleichsetzt, dass er ins gleiche Feld wie allgemeiner Rassismus als eine Sonderform dessen gehört ist hoffentlich Konsens. Antisemitismus wird in Deutschland glücklicherweise -zumindest teilweise -deutlicher benannt und schärfer sanktioniert als allg. R. Damit wäre vielleicht einer Kuttner einfacher zu entgegnen gewesen. Hier spricht wohl auch ein gerüttlet Maß an Resignation und Bitterkeit eines offensichtlich Betroffenen, der die Miesheit einer Antisemitischen Äußerung hoffentlich nur zum Schein gegen den Glücksfall "dann ist die Alte wenigstens weg vom Fenster" "aufrechnet".

    AntwortenLöschen
  5. Ein weiteres Statement von Adebisi. Quelle: http://www.mopo.de/promi---show/nach-kuttners--negerpuppen--aeusserung-mola-adebisi---sarah-ist-minderbemittelt-,5067148,16093172.html

    ---
    „Sarah ist Rassistin, das habe ich selbst zu spüren bekommen“, sagt er. Und: „Sie wird sich nicht äußern, weil sie die Situation nicht reflektieren kann. Ihr fehlt die emotionale Intelligenz, sie ist minderbemittelt.“ Harte Worte, doch der Moderator und Schauspieler erklärt: „Sie hat häufiger rassistische Witze bei ,Viva‘ gemacht und ist damit durchgekommen. Sie hat auch über mich hergezogen. Als ich und Milka Loff Fernandes in einer Sendung von den Zuschauern zu den beliebtesten Viva-Moderatoren gewählt wurden, sagte sie nur: ,Das kann nicht euer Ernst sein‘ und warf die Karte mit unseren Namen in den Müll.“
    ---

    Der Vergleich mit Antisemitismus ist in diesem Text etwas ausführlicher:

    ---
    Ich würde mich freuen, wenn Sie mal Juden-Witze machen würde, dann wäre ihre Karriere nämlich beendet! Aber Türken und Afro-Deutsche leisten nicht den Widerstand. Juden lassen sich keine Beleidigung gefallen.“
    ---

    AntwortenLöschen
  6. Der Ex-Vivamoderator setzt aber jemanden nicht mögen sofort mit Rassimus gleich. Dass Frau Kuttner Adebisi und Milka Loff Fernandes Wahl nicht gut findet kann man nicht pauschal als Rassismus werten. Wenn Mola Adebisi anstatt Günther Jauch ab sofort Wer Wird Millionär moderieren sollte würde ich auch fluchen. Das liegt aber am Sympathie- und Talentfaktor und nicht an der Hautfarbe.

    Unabhängig von Kuttners möglichem Rassismus nutzt Adebisi schamlos die Möglichkeit wieder mal in die Zeitung zu kommen. Auf dem Rücken von Rassismusopfern.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Unabhängig von Kuttners möglichem Rassismus" - das klingt so, als wäre es zweifelhaft, dass es sich bei Kuttners Aussagen um Rassismus handelt. Sie bedient sich eindeutig einer rassistischen Sprache. Dazu, warum das rassistisch ist, wurden im Artikel zahlreiche Texte verlinkt. Bitte lesen und hier nicht mit relativierenden Floskeln herum werfen. Das ist nicht Sarah Kuttners Facebook-Account, sondern ein gesellschaftskritischer Blog.

      Löschen
  7. Ein super Video. Danke für's verlinken! Den Clip sollte man Harald Schmidt, Oliver Kalkofe und anderen deutsche Comedy-Kings zukommen lassen. Da könnten sie noch was lernen auf ihre alten Tage.

    AntwortenLöschen
  8. Jetzt wäre dann eine Entschuldigung fällig an Kuttner, dafür dass sie hier als Rassistin diffamiert wird. Es hat sich als falsch herausgestellt.

    Mit solchen Schnellschüssen nimmt man wirklichen Rassismusopfern jede Glaubwürdigkeit.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lies bitte den Artikel nochmal - insbesondere den ersten Satz: "Rassismus zu kritisieren, indem man rassistische Begriffe reproduziert, ist eine denkbar schlechte Strategie."

      Genau dieses Argument ist nun Kernbestand von Kuttners Verteidigungsstrategie: Es sei nicht rassistisch, weil es eigentlich kritisch gemeint war. Das ist - um Mola Adebisi zu zitieren - "einfach nur minderbemittelt".

      Löschen
  9. Ein unglaublich doofes Verhalten von publikative.org. Erst schreiben sie einen Artikel, in dem sie rassistische Sprache vermeintlich kritisch reproduzieren. Und jetzt das: http://www.publikative.org/2012/05/24/in-eigener-sache-ein-skandal-der-keiner-ist/

    AntwortenLöschen
  10. Und wo bleibt die Kritk am sekundären Antisemitismus von Mola? Oder wird das hier geduldet?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Der Übergang von Molas Aussage zur Kritik an österreichischen TV-Diskussionssendungen, die regelmäßig AntisemitInnen einladen, war etwas zu flapsig. Ich würde das heute nicht mehr so schreiben - möchte es im Artikel aber nicht nachträglich verändern, weil sich daraus eine Diskussion ergeben hat, die sonst entstellt werden würde.

      Löschen
  11. Hier ist meine Meinung zu dem Thema (auch die Kommentare überfliegen, wo ich auf ein Zitat aus diesem Blog eingehe)

    http://www.youtube.com/watch?v=yEprhd_sLNk

    AntwortenLöschen