Dienstag, 6. Dezember 2011

Extras, Episodes, Dead Set - Die Sichtbarmachung von Produktionsprozessen in TV-Serien

Kulturindustrielle Produktionsprozesse sind nahezu universell geworden. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach subversiven Potentialen im Rahmen dieser Verhältnisse umso dringender. Eine Möglichkeit der kritischen Reflexion ist die Sichtbarmachung von Produktionsprozessen im Endprodukt. Damit bricht selbiges zwar nicht aus den gesellschaftlichen Zwängen und der eigenen Warenförmigkeit aus, macht diese aber zumindest teilweise transparent und damit kritisierbar.

In den letzten Jahren gingen mehrere Serien diesen Weg. Ihre ProtagonistInnen sind ProduzentInnen, SchauspielerInnen, DrehbuchautorInnen oder KandidatInnen von Reality-TV Formaten. Sie sind unterschiedliche erfolgreich in ihren Berufen - wirklich glücklich ist aber niemand von ihnen.

"Does this mean we're not on telly anymore?"

Die fünfteilige Miniserie Dead Set (Channel 4) ist ein Crossover zwischen dem Genre Zombiefilm und der erfolgreichen Reality-TV Show Big Brother. Das Drehbuch stammt von Charlie Brooker, der damals noch wöchentlich Fernsehkritiken für den Guardian schrieb. Zeppron, die Produktionsfirma von Dead Set, ist eine Tochterfirma von Endemol - dem Rechteinhaber von Big Brother. Mehrere ehemalige Big Brother KandidatInnen haben Cameo-Auftritte. Davina McCall, die Moderatorin der britischen Big Brother Version, spielt sich selbst.

Nach Ausbruch einer Zombie-Epidemie ist der hermetisch abgeschlossene Big Brother Container der letzte sichere Ort in Großbritannien. Der Produzent der Show (Andy Nyman), der für das Format, die KandidatInnen und erst recht für das Publikum nicht mehr als Verachtung übrig hat, versucht nun - um sich vor den Zombies zu retten - selbst in den von ihm verabscheuten Container zu gelangen.

Dead Set fokussiert auf die Vorgänge hinter den Kulissen kommerziellen Fernsehens. Damit bildet die Serie ein doppeltes Gegengewicht zu vorherrschenden Narrativen regressiver Fernsehkritik: Zum einen zur ausschließlichen Rezeption der Ereignisse vor der Kamera und einer identifikatorischen Abgrenzung von den KandidatInnen. Zum Anderen zu gegen das Publikum fokussierte Debatten, die im Feuilleton mit Schlagworten wie "Unterschichtenfernsehen" geführt werden.

Zwar sind die ZuschauerInnen die Zombies, letztlich setzen sie jedoch einen Akt des Widerstandes indem sie den TV-Produzenten verspeisen. Vorwerfen lässt sich Dead Set - nicht zuletzt in diesem Zusammenhang - eine allzu personifizierende Gesellschafts- und TV-Kritik. Zugute halten kann man der Serie, dass sie viele Geschichten anders erzählt als es Big Brother tun würde und die eine oder andere Rollenkonvention aufbricht.

Das Glücksversprechen wird nicht eingelöst

Extras
(BBC / HBO) begleitet den Statisten Andy Millman (Ricky Gervais) und die Statistin Maggie Jacobs (Ashley Jensen) bei deren Arbeit. In jeder Folge sind sie als zumeist tragische Randfiguren auf dem Set einer großen Filmproduktion zu sehen.

Wie bei Dead Set spielen auch bei Extras Cameo-Auftritte eine wichtige Rolle. Ben Stiller spielt sich als tyrannischen Regisseur, der ins ernste Fach wechseln möchte (Staffel 1 / Folge 1). Kate Winslet wiederum hofft, als sie die Rolle einer Nonne während der NS-Zeit übernimmt, auf einen "Holocaust-Oscar" (Staffel 1 / Folge 3).

In der zweiten Staffel wird dieses Grundsetting noch um die fiktive Sitcom "When the Whistle Blows" erweitert: Eine Sitcom in der Sitcom, die auf einem Drehbuch beruht, dass Andy Millman bereits in ersten Staffel unterzubringen versuchte. Vom Publikum wird "When the Whistle Blows" mit Begeisterung angenommen - eine Reaktion, die für ihren Schöpfer zu einer fast tödlichen Umarmung mutiert. Denn im Endergebnis entfernt sich "When the Whistle Blows" aufgrund der Produktionsverhältnisse weit von der ursprünglichen Idee und wird - sehr zu recht - als "Shitcom" kritisiert.

Extras verweist auf die gesellschaftliche Ohnmacht des Einzelnen. Wir begleiten Andys Aufstieg und Maggies Abstieg. Unabhängig vom ökonomischen Erfolg, löst sich das von der Kulturindustrie gegebene Glücksversprechen letztlich für keine/n der ProtagonistInnen ein.

Öffentlich-rechtlich oder Privatfernsehen?

Episodes (Showtime / BBC) greift eine ähnlich Thematik auf wie die zweite Staffel von Extras. Auch hier geht es um eine Serie in der Serie, konkret um die Adaption einer sehr erfolgreichen englischen Produktion für den amerikanischen Markt. Beverly und Sean Lincoln (gespielt von Tamsin Greig und Stephen Mangan) ziehen in die USA um dort für den US-Markt eine Pilotfolge ihrer in Großbritannien mit einem BAFTA ausgezeichneten Sitcom zu produzieren.

Aus Sicht der beiden wird die Sache zum Fiasko, da die Produktionsfirma ihrer Serie jeglichen subversiven Gehalt raubt. Eine in der Originalfassung lesbische Figur muss aus Vermarktungsgründen heterosexuell werden und die ca. 60 jährige Hauptfigur - ein englischer Schuldirektor - wird ausgerechnet mit Matt LeBlanc ("Joey" aus Friends) besetzt.

Anhand von Episodes lässt sich Frage stellen, wie der Kontrast zwischen den USA und Großbritannien in Szene gesetzt wird und inwieweit es sich dabei um ein Tradieren von Klischees handelt. Das Herausarbeiten von Unterschieden zwischen öffentlich-rechtlichen (in diesem Fall britischen) und privaten/kommerziellen (wie so oft amerikanischen) Produktionskontexten wird jedoch schon fast ins propagandistische überzeichnet. Die Negativfolie USA bzw. Hollywood lässt streckenweise vermuten, es handle sich um mehrteilige Eigenwerbung für die vermeintlich hervorragenden Produktionsverhältnisse in Großbritannien und gegen die - das unterstellt die Serie recht explizit - amerikanische Oberflächlichkeit und Kulturlosigkeit.

Fazit

Während also Extras und Episodes den erzählerischen Fokus auf eine kritische Darstellung von Produktionsprozessen richten, findet in Dead Set bereits in der Anordnung eine Meta-Reflexion medialer Dynamiken statt. Alle behandelten Serien eint die Thematisierung des Zwangs zum Zugeständnis und eine damit einhergehende Kritik am Konformitätsdruck der Kulturindustrie.

Es stellt sich jedoch ebenso die Frage, wo die Grenzen dieser Form der medialen Selbstreflexion liegen. Schaffen sie nicht vielmehr trügerische Intimität mit den ProduzentInnen, die den ZuschauerInnen weiß machen soll, sie befänden sich auf gleichen Augenhöhe und würden das System durchschauen? Und ist nicht gerade der Irrglaube vom allgemeinen "Bescheid wissen" der neuste Stand des gesellschaftlichen Verblendungszusammenhangs?


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