Freitag, 16. März 2012

Das Café Rosa im ORF und auf ATV

Wie aus der Krise eines gesellschafts- und kapitalismuskritischen Studibeisl-Projekts ein medialer Lobgesang auf die herrschenden Verhältnisse wird.

Das Café Rosa mag der ÖH Uni Wien viel Geld gekostet haben. Die medial kolportierten Vergleiche mit den aktuellen Korruptionsfällen in der österreichischen Innenpolitik hinken dennoch gewaltig. Schließlich haben die Studierenden für das investierte Geld etwas bekommen: ein voll ausgestattetes und barrierefrei zugängliches Kaffeehaus mit leistbaren Getränke- und Essenspreisen.

Dass FPÖ- und ÖVP-nahe Studierendenvertreter mit derartigen Korruptionsvergleichen an die Medien gehen, mag wenig überraschen. Die kritiklose Reproduktion dieser Gleichsetzungen - wie beispielsweise bei ATV Aktuell am 15. März 2012 - ist aber selbst einem Underground[1]-Kanal wie ATV unwürdig.

Direkt nach den Berichten über die Telekom-Affäre leitet Moderatorin Jenny Laimer, mit einer Paraphrase der Kernbotschaften der RFS- und AG-Aussendungen der letzten Tage, auf das Café Rosa über. In das selbe Horn bläst - sieht man von den O-Tönen der linken ÖH-VertreterInnen ab - auch der darauf folgende Beitrag.

ATV setzt politische Logos und Slogans im Café Rosa wie die Brüste diverser Doku-Soap TeilnehmerInnen in Szene. Eine Ästhetik des Heranzoomens, die eine klare Botschaft der filmenden Person an das Publikum beinhaltet: Ich seid zu dumm, um Dinge selbstständig erkennen. Man muss euch auf alles hinweisen, damit ihr Deppen seht, wie falsch und gefährlich die politische Ausrichtung dieses Cafés ist.

Und der ORF? Auch hier wird viel gezoomt[2] und das Kind nicht nur einmal verbal mit dem Bade ausgeschüttet. Das beginnt schon bei der Anmoderation. "Es hätte ein antikapitalistisches Vorzeigeprojekt werden sollen, aber geworden ist es vor allem antiüberlebensfähig", meint Armin Wolf in der ZIB 2 vom 12. März. Auch der fehlende Konsumzwang scheint Wolf zu irritieren.

Was verschwiegen wird: Es gibt (sogar im beschaulichen Wien!) antikapitalistische Lokale ohne Konsumzwang, die seit Jahren - teils seit Jahrzehnten - gut funktionieren. Insofern ist es mehr als bitter, dass die ÖH-Führung dem medialen und politischen Druck nun nachzugeben scheint und das Café Rosa an eine kommerzielle BetreiberIn verpachten möchte. Auch das ist eine Form der Kapitulation vor den herrschenden Verhältnissen.

Anmerkungen:
[1] Im Sinne von unterirdisch.
[2] Besonders angetan hat es sowohl dem ORF als auch ATV ein "Gegen Staat und Kapital"-Aufkleber am Eingang des Café Rosa.


5 Kommentare:

  1. "Das Café Rosa mag der ÖH Uni Wien viel Geld gekostet haben" - ich sehe hauptsächlich hier die allgemeine Kritik. ORF und ATV haben sich lustig über gesellschaftskritische Ansätze gemacht, das mag stimmen und finde ich auch nicht korrekt. Eben WEIL die inhaltliche Ausrichtung des Cafes durchaus eine wichtige ist. Aber dass der Kritik, mit vielem Geld (für die meisten Studierenden sind 1/2 Million viel Geld, auch wenn es in Relation zum Gesamtbudget der ÖH nicht viel sein mag) schlecht gewirtschaftet zu haben, so begegnet wird, alle KritikerInnen in den Topf der AG/RFS zu werfen, ist dann auch nicht okay. Ich zum Beispiel befürworte so ein Projekt grundsätzlich, allerdings erwarte ich mir, dass es von Anfang an überdacht finanziert (die Zahlen sind einfach von Anfang an sehr unstimmig) und danach auch wirklich kostendeckend gearbeitet wird. my2cents

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  2. Habe absolut kein Problem mit Cafe Rosa, solange dafür ausschließlich freiwillige Spenden bzw. eigenes Geld des/der BetreiberInnen verbraten wird. Sobald hier Abgaben aller StudentInnen "verwertet" werden, habe ich ein großes Problem.

    EinE StudentIn.

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  3. du wunderst dich dass den wolf (wie auch andere leute im übrigen) ein cafe ohne konsumzwang (in einer konkurrenzumgeben, wohlgemerkt!) irritiert? wie lebt es sich so, hinterm mond? hast du denn beispiele für antikapitalistische lokale? haben die dann auch eine halbe million eure verschlugen?

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  4. klar gibt es antikapitalistische lokale ohne konsumzwang in wien. z.b. "ekh" (http://www.med-user.net/~ekh/), "kaleidoskop" (http://kaleidoskop.blogsport.eu/), VEKKS (http://www.umsonstladen.at/), "das bäckerei" (http://dasbaeckerei.net/), W23 (http://wipplinger23.blogspot.com/) ...

    diese lokale sind jedoch alle nicht barrierefrei und schließen deshalb rollstuhlfahrerInnen defacto aus. um ein lokal barrierefrei zu machen, reichen nicht nur ein paar rampen. dazu müssen auch die wc-anlagen aufwendig umgebaut und vergrößert werden. das kostet geld.

    bezüglich dieses immer wieder kehrenden arguments, dass es ein skandal sei, dass hier ein teil der öh-beiträge der studierenden verwendet wird: das cafe kommt auch den studierenden zu gute. in dieser umgebung gibt es kein billigeres lokal. bei einem besuch mit kaffee und essen hat jede studierende das geld wieder herinnen.

    ich kann diese künstliche aufregung echt nicht nachvollziehen...

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  5. Ich stimme dir vollkommen zu was die Berichterstattung betrifft und es war mir eine Ehre auch diesen Blogbeitrag zu flattern, weil ich deine kritischen TV-Analyzen sehr schätze.

    Aber da muss ich dir widersprechen:
    "es ist mehr als bitter, dass die ÖH-Führung dem medialen und politischen Druck nun nachzugeben scheint und das Café Rosa an eine kommerzielle BetreiberIn verpachten möchte"

    Das Cafe Rosa ist nie unter wirklich demokratischer Kontrolle der Beschäftigten oder Gäste gestanden, Ausbeutung der Beschäftigten war an der Tagesordnung wie sonst auch, insofern ist der nächste Schritt nur logisch. Ich finds gut wenn die ÖH barrierefreie Räume für die Studierenden schafft. Aber es gibt keinen Grund, dass die ÖH sich dafür bezahlt, dass es ein barrierefreies Starbucks oder Weltcafe gibt. Aber das war letzlich bisher der Charakter vom Cafe Rosa. Es hat ein paar nette Grundsätze gegeben und auch einige Lerngruppen die weniger konsumiert haben, aber die Grundsätze haben hauptsächlich Bashing von RFS/AG in den Medien bewirkt und die Konsumzwangfreiheit find ich zwar sehr wichtig, aber war in der Realität nicht so ausschalggebend glaub ich, weils halt einfach ein Cafe ist und da konsumieren fast alle (und sonst ists ja bei einer Gruppe auch möglich normalerweise, dass manche nix konsumieren). Die poltischen Grundsätze picken als Pickerl im Weltcafe genauso am Klo und ich muss gestehen, sehr geglückt find ich sind die Inhalte auch vom Cafe Rosa nicht vermittelt worden. Ich unterstütze alles voll und ganz, aber hab selber erst nach 2 Monaten Stammgastsein begriffen was es heißt dass es antiheternormative Klos gibt. Da wärs wichtig einigen die Möglichkeit eines niederschwelligeren Zugangs zu bieten. Am schlimmsten find ich aber eigentlich, dass es nicht einmal einen Betriebsrat gegeben hat und gesetzliche Bestimmungen zum ArbeitnehmerInnenschutz nicht eingehalten worden sind mit Argumenten wie "in der Gastronomie wirst überall Arbeitsbedingungen finden". Da frag ich mich echt warum die ÖH hier Kapitalist spielen sollte.

    Und ja, ich bin der Meinung das hat System bei den ÖH-Fraktionen VSSTÖ und Grünen. Und ja, ich unterstelle ihnen sogar, dass die Ursachen dieselben sind wie bei ihren Mutterparteien (wenn auch nicht die Auswirkungen wie ihnen von den Medien unterstellt wird, wie du beschreibst). Ansich wollen wir fortschrittliche Politik machen, deshalb nennen wir das Cafe Rosa, aber im Grunde ist es dann doch ein Cafe mit Geschäftsführung und schaut auch von außen und innen genauso aus. Wir machen zwar ein Plenum, aber ein Jahr nach der Eröffnung ist noch immer nicht klar, ob das Plenum auch etwas beschließen darf und wenn ja wie. Wir wollen wollen zwar schon demokratisch sein, aber vor zu viel Transparenz müssen wir Angst haben, weil sonst kriegen wir Probleme mit AG/RFS.

    Das führt mich zu meinem aktuellen Dilemma. Ja... Ansich würde ich ja eigentlich die ÖH und das Cafe Rosa ja gerne verteidigen. Aber in allen Belangen kann ichs dann doch nicht wirklich machen. Durch diese ewigen unehrlichen Kompromisse werden ja wirklich auch noch die letzten AktivistInnen vergrault. Ja, ich versuch wirklich nicht mit dem RFS/AG und allgemeinen ihr-habt-so-viel-Geld-aus-dem-Fenster-geworfen-Strom mitzuschwimmen, aber ich kann nicht sagen, dass die ÖH nicht schuld am Schlamassel ist und zwar aus genau den Gründen, die ich schon bei den ersten Plena thematisiert hab... Achja, ich vergaß - das Plenum hat leider noch immer keine Kompetenzen.

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