Montag, 18. Juni 2012

"I don't know if it's Marxism in action or a west end musical."

Warum der kurzlebige 9. Doctor nicht der schlechteste war.

SpitzenpolitikerInnen werden immer jünger und so ähnlich läuft es auch bei der seit 1963 laufenden Sience Fiction Serie Doctor Who (BBC Wales). War der erste Doctor (William Hartnell) noch ein alter Mann, ist der Darsteller des 11. und bisher letzten Doctors (Matt Smith) bei Dienstantritt gerade einmal 28 Jahre alt.

Wenige Jahre zuvor entschloss sich die BBC dazu, die seit 1990 ruhende Kultserie um den zeitreisenden Doctor ohne Namen wiederzubeleben. Federführend dabei waren Russell T Davies und Julie Gardner. Ersterer hat davor u.a. die Serie Queer as Folk (Channel 4) konzipiert. Letztere war später an den Doctor Who Spin-offs Torchwood (BBC Wales) und The Sarah Jane Adventures (CBBC) als ausführende Produzentin beteiligt.

Christopher Eccleston verkörpert die Rolle in der 1. Staffel der neuen Serie (bei durchgängiger Zählweise wäre es die 27.). Während die meisten Reinkarnationen des Doctors Anzug trugen und einen Upper Class Habitus kultivierten, ist der 9. Doctor vergleichsweise leger gekleidet. Lederjacke, T-Shirt und dunkle Hose tun's schließlich auch. Dazu kommt sein nordenglischer Akzent. Bemerkenswert, wenn bedenkt, dass die BBC lange Zeit eine Sprachpolitik verfolgte, die sich auf die Repräsentation Zentral- und Südostenglischer Sprachfärbungen beschränkte, was wiederum im Kontext des eher industriell und damit einhergehend von einer Vormachtstellung der Labour Party im Widerspruch zum ökonomisch stärkeren und ungleich konservativen Süden zu sehen ist.

Überhaupt ist die erste Staffel so stark wie keine andere in einem Working Class Kontext angesiedelt. Rose Tyler (Billie Piper), die im Verlauf der ersten Folgen der neue Companion des Doctors wird, wohnt mit ihrer Mutter Jackie (Camille Coduri) in einer Sozialwohnung in London und arbeitet in einem Einkaufszentrum. Die erste Folge ("Rose") spielt ebendort und handelt von Schaufensterpuppen mit gefährlichem Eigenleben.

Später kämpfen Rose und der Doctor u.a. gegen Aliens, die in den Köpern fettleibiger PolitikerInnen leben und die Macht in Großbritannien übernehmen ("Aliens of London", "World War Three", "Boom Town"). In ferner Zukunft müssen sich die beiden aus den Fängen eines übermächtigen Medienkonzerns befreien, dessen TV-Formate von der Ermordung der TeilnehmerInnen leben. Bei Big Brother wird man nicht nur aus dem Container, sondern aus dem Leben raus gewählt. In The Weakest Link fungiert ein Anne Robinson Roboter nicht nur als strenge Moderatorin, sondern auch als Exekutorin aller KandidatInnen ausgenommen der SiegerIn ("Bad Wolf"). Zu den Höhepunkten der ersten Staffel zählt auch die während des Blitzkriegs angesiedelte Doppelfolge "The Empty Child"/"The Doctor Dances", in der Rose und der Doctor eine Gruppe Waisenkinder durch London begleitet, die während der abendlichen deutschen Bombenangriffe in Wohnungen einbrechen, um sich mit Essen zu versorgen. Mit den Kindern an einem reichlich gedeckten bürgerlichen Esstisch sitzend, meint der Doctor: "I don't know if it's Marxism in action or a west end musical."

Christopher Ecclestone ist zu einem gewissen Grad ein vergessener Doctor, der im allzu großen Schatten seiner Nachfolger David Tennant und Matt Smith zu verschwinden droht. Doch nicht wenige der zehn Folgen, in denen er den Doctor verkörperte, gehören zu den sehenswertesten der Serie.




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