Dienstag, 17. Juni 2014

Song Contest am Roland-Rainer-Platz?

Einiges deutet darauf hin, dass der Eurovision Song Contest 2015 in der Wiener Stadthalle über die Bühne gehen wird. Der Platz davor ist nach ihrem Architekten Roland Rainer benannt - einem ehemaligen Nationalsozialisten.


Erst seit 2006 heißt der Platz so und obwohl die NS-Vergangenheit Rainers bekannt ist, bemühte sich die Leitung der Stadthalle, die postalisch bis dahin am Vogelweidplatz erreichbar war, vor wenigen Monaten erfolgreich um eine Adressänderung. Die offizielle Anschrift lautet seit Anfang 2014 Roland-Rainer-Platz 1.

"Für die Adressänderung war, wie in einem solchen Fall üblich, kein aktueller Gemeinderatsbeschluss notwendig", hieß es am 10. April 2014 auf derstandard.at. Denn diesen gab es schon einige Jahre davor, als man sich rund 60 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus dazu entschloss, einen Platz einem Nationalsozialisten zu Ehren umzubenennen.

Rainer war nicht, wie seine Verehrer_innen es immer wieder darzustellen versuchen, nur aus Karrieregründen den Nazis zugeneigt. Das veranschaulichen seine Texte aus der NS-Zeit allzu deutlich.

1942 argumentierte Rainer die Wichtigkeit des Standortes Wien für die NS-Baupolitik, indem er die "völkische Bedeutung" des Wiener Beckens für die "deutsche Besiedlung" herausstrich. Besonders geeignet für derartiges sei die Region deshalb, weil hier seinerzeit die "türkische Invasion" gestoppt wurde, wie Rainer in einem mit "Wien und das Wiener Becken" betiteltem Text aus dem Jahr 1942 argumentierte.

Wie Gerhard Rauscher in seiner Diplomarbeit zeigt, war Rainers Geschichtsbild ein rassistisches: "Die ungünstigen Wohnverhältnisse im Wien der Monarchiezeit führt er auf den hohen Anteil an 'artfremden Völkern mit geringen Wohnansprüchen' zurück, nicht etwa auf eine verfehlte Wohnungspolitik".

Die zitierte Diplomarbeit beschäftigt sich unter anderem mit den ideologischen Gründen für die Ablehnung, die Rainer kollektiven Wohnformen entgegenbrachte. Das Deutsche Reich lobend, argumentierte Rainer für das Einfamilienhaus "als Sinnbild germanischer Wohn und Siedlungsweise".

Nach 1945 versuchte er unbeirrt seine auf die NS-Zeit zurückgehende Architekturkonzepte zu verwirklichen. Rauscher dazu:
"Rainer führte seine Forschungen zur 'gegliederten und aufgelockerten Stadt' und zum verdichteten Flachbau nach Kriegsende 1945 mit Erfolg fort. Seine Publikationen aus den späten 1940er und den 1950er Jahren sind unter einem anderen politischen Umfeld erschienen, beziehen sich aber auf Zitate und Abbildungen aus der NS-Ära. Bis zu seinem Tod 2004 hat Roland Rainer diese seine Arbeiten aus der NS-Zeit nie kritisch thematisiert."
Nur punktuell gab es im sozialdemokratischen Wien der Nachkriegszeit Widerstand gegen Rainers Pläne. Nämlich dann, wenn die Anleihen an NS-Planungen den Verantwortlichen allzu offensichtlich erschienen. Rauscher dazu:
"Der in der Nachkriegszeit sehr aktive Stadtplaner und Architekt Roland Rainer etwa schlug in seinem 'Planungskonzept Wien' eine – wie er sie nannte – 'Nebencity' am Gelände des ehemaligen Nordbahnhofes vor. Der Wiener Fachbeirat für Stadtplanung lehnte 1961 dieses Konzept jedoch einstimmig mit dem Hinweis ab, dass aus der NS-Zeit vergleichbare Planungen bekannt seien."
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Umbenennung des Platzes vor der Stadthalle im Jahr 2006 ein politischer Skandal ist. Zugleich zeigt sie, wie gut die Netzwerke ehemaliger Nazis und ihrer Unterstützer_innen in Österreich bis ins 21. Jahrhundert hinein funktioniert haben.

Literatur:
Gerhard Rauscher, Position beziehen! Nationalsozialistische Konzepte und Lehre im Bereich der Stadt- und Raumplanung in Wien und ihre inhaltlichen und personellen Kontinuitäten, Diplomarbeit, Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien 2014.

Schriften von Roland Rainer aus der Zeit des Nationalsozialismus:
Roland Rainer, Wien und das Wiener Becken, in: REICHSARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR RAUMFORSCHUNG (Hrsg.): Raumforschung und Raumordnung. Monatsschrift der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung, 6. Jg., Heft 4/5, Heidelberg-Berlin: Kurt von Winckel Verlag 1942, S. 106-108.

Roland Rainer, Die zweckmäßigste Hausform für Erweiterung, Neugründung und
Wiederaufbau von Städten; Forschungsarbeit im Auftrag der Deutschen Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung, Arbeitskreis im N.S.B.D.T., Berlin: Dt. Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung 1944.

Siehe auch:
Um das Funkhaus trauern? Sich über den Küniglberg freuen?

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