Mittwoch, 2. November 2011

South Park und Antisemitismus

Zwei South Park Folgen die unterschiedlicher nicht sein könnten: Während sich "The Passion of the Jew" kritisch mit Antisemitismus beschäftigt, werden in "Death Camp of Tolerance" die Shoah verharmlost und die Opfer der NS-Vernichtungspolitik verhöhnt.

"The Passion of the Jew" (Staffel 8, Folge 3 - online ansehen) beginnt damit, dass die vier Kinder im Auto sitzen und Star Trek nachspielen. Cartman ist der Captain und Kyle ein Vulkanier, von Cartman mit abwertender Intention als "Jew" bezeichnet und erst nach Kyles Protest als "Vulcan-Jew". Im Verlauf der fiktiven Handlung des Kinderspiels wird Kyle - von Spielleiter Cartman mit dem Ausruf "They got Kyle" sprechakttheoretisch akkurat – in der Spielhandlung getötet.

Es kommt zu einem Streit zwischen Kyle und Cartman. Kyle bezichtigt Cartman, ihn aus einer antisemitischen Motivation heraus sterben zu lassen. Cartman stellt das nicht in Abrede, sondern verweist auf Mel Gibsons The Passion of the Christ. Er hätte ihn 34 mal gesehen und weshalb er zu wissen meint, dass die Juden, da für den Tod von Jesus verantwortlich, böse seien.

Wenig später sieht man Kyle, wie er ein Kino betritt, um sich The Passion of the Christ anzusehen. Während der Film im Kino vorgeführt wird, entwickelt Kyle Schuldgefühle, ihm wird übel, er übergibt sich. Danach besucht er Cartman und sagt ihm, dass er mit seinen Ansichten über Juden recht hat. Dadurch fühlt sich Cartman dermaßen bestärkt, dass er eine Bewegung zur Verbreitung von The Passion of the Christ ins Leben ruft. Sein wahres Ziel ist jedoch die Formierung einer antisemitischen Massenbewegung mit dem Ziel der Vernichtung der Jüdinnen und Juden.

Neben der recht offensichtlichen inhaltlichen Kritik an The Passion of the Christ wird in einem zweiten Handlungsstrang auch die formale Ebene kritisiert. Stan und Kenny schauen sich den Film ebenfalls an und finden ihn miserabel. Mit der empörten wie gerechtfertigten Feststellung "You can't charge people to watch a guy get tortured for two hours", kritisiert Stan den Film und fordert an der Kinokasse - vergeblich - das Eintrittsgeld zurück. Sie beurteilen Gibsons Werk als das, was es ist: Ein extrem schlecht gemachter Snuff-Film. Axel Grumbach bringt das in seiner Filmkritik zu The Passion of the Christ sehr gut auf den Punkt:

"Das Ganze wird unter Einsatz von Zeitlupenbildern und plumpesten Schockeffekten aus der Horrorfilm-Trickkiste so penetrant in Szene gesetzt, dass man dem unfreiwillig grotesken Schauspiel das Erreichen einer neuen Dimension der Lächerlichkeit attestieren kann. Fast erwartet man, dass Jesus am Ende wie der Terminator verspricht: 'I’ll be back!'"

Grumbach, Axel, Jesus Christ S/M-Star, Mel Gibson verfilmt die Passionsgeschichte im Stil eines Snuff-Movies, 17. März 2004

Trey Parker, der die Folge geschrieben hat, kontextualisiert "The Passion of the Christ" in der Tradition antijudaistischer Passionsspiele und zeigt gleichzeitig wie Mel Gibson über den christlichen Hass auf Jüdinnen und Juden hinaus denkt und den RezipientInnen einen Brückenschlag zum modernen Antisemitismus nahe legt. Veranschaulicht wird das mit einer Rede, die Kyle in der örtlichen Synagoge hält. Beeinflusst durch The Passion of the Christ fordert er die Anwesenden auf sich für den Tod von Jesus zu entschuldigen: "In 1956 Germany officialy appologized for World War II and the Holocaust and now I belive in 2004 the jewisch community needs to appologize for the death of Jesus."

Wenn Kyle mit seiner Gleichsetzung der Ermordung von Jesus mit der Shoah letztere relativiert, wird die Antisemitismus befördernde Wirkung des Gibson-Films veranschaulicht. Auf der Bildebene karikieren die South Park MacherInnen genau in dieser Szene die antisemitischen Klischees folgende Darstellung der Juden in Mel Gibsons Film. Alle Personen in der Synagoge, die sich nach Kyles Rede über die Stereotypisierung der Juden in "The Passion of the Christ" beschweren, sind genau jenen Stereotypen folgend gezeichnet.

Unproblematisch ist diese Bild-Kritik nicht. Rezipiert werden kann sie sowohl als Kritik des Antisemitismus als auch als Kritik einer unterstellten Übersensibilität in Bezug auf Antisemitismus. Das auch die zweite Lesart Teil der Intention des Autors sein kann, zeigt die Folge "The Death Camp of Tolerance" (Staffel 6, Folge 14 - online ansehen), die ebenfalls von Trey Parker geschrieben wurde.

Die Folge beginnt damit, dass Mr. Garrison nachdem er zuvor aus homophoben Gründen aus dem Schuldienst entlassen wurde, wieder eingestellt wird. Während seines Einstellungsgesprächs stellt sich heraus, dass er im Falle einer nochmaligen Entlassung die Schule auf Schadenersatz verklagen könnte (die Angst vor einer Klage ist der eigentliche Grund für seine Wiedereinstellung).

Im weiteren Verlauf setzt Garrison alles daran abermals entlassen zu werden. Er stellt Mr. Slave, einen masochistischen Lack- & Leder-Sklaven, als seinen neuen Assistenten der Klasse vor. Als er diesem vor den Augen der SchülerInnen die Wüstenrennmaus Lemmiwinks rektal einführt, beschließen die Kinder sich zunächst bei ihren Eltern, dann bei Chef und schließlich bei der Schulleiterin zu beschweren.

Die Beschwerden haben jedoch nicht zur Folge, dass Garrison aus dem Schuldienst entlassen wird, sondern führen über den Umweg eines - übrigens auch real existierenden - Museum of Tolerance in ein KZ-ähnliches Death Camp of Tolerance, in dem die vier Kinder inhaftiert werden. In diesem Lager wechselt die Folge in eine schwarz/weiß-Ästhetik, die offensichtlich an Steven Spielbergs Schindlers Liste erinnern soll.

Die Problematik dieser Folge besteht jedoch nicht darin, dass Schindlers Liste kritisiert wird. Spielbergs Film ist durchaus kritikwürdig. Die Möglichkeit diese Kritik zu üben, wird von Trey Parker jedoch nicht genutzt. Vielmehr entscheidet er sich dazu, die Opfer verhöhnen und Auschwitz und den Nationalsozialismus zu verharmlosen, indem er das Todeslager nicht als Kulminationspunkt des Antisemitismus, sondern als jenen des amerikanischen PC-Diskurses darstellt. Aus Antisemitismuskritik wird in dieser Folge ihr genaues Gegenteil. Unfreiwillig zeigt "The Death Camp of Tolerance" die Schattenseiten der Kritik an vermeintlich übertriebener Political Correctness.

Siehe auch:
South Park und der Anti-PC-Diskurs im deutschsprachigen Raum


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