Samstag, 22. Juni 2013

Fünf sehenswerte Political Sitcoms

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Darstellbarkeit von Regieren in Sitcoms. Gefragt wird, wie politische Konflikte inszeniert werden und was in politischen Sitcoms ungesagt bzw. ungezeigt bleibt.


Yes Minister / Yes, Prime Minister
1980-1988
BBC Two, 6 Staffeln, 40 Folgen


Yes Minister kann wohl als Mutter des Genres Westminster Sitcom, also all jener Serien, die sich mit britischer Spitzenpolitik beschäftigen, bezeichnet werden. Jede andere politische Sitcom, die seitdem in Großbritannien produziert wurde, wurde im Verhältnis zu Yes Minister beurteilt und nicht selten als unterschiedlich geartete Antwort darauf interpretiert.

Im Zentrum der Handlung steht der ambitionierte Minister (und spätere Premierminister) James Hacker (Paul Eddington). Welcher Partei er angehört, wird nicht verraten. Hacker befindet sich in einem kontinuierlichen Konflikt mit dem Ministerialbeamten Humphrey Appleby (Nigel Hawthorne). Aus Hackers Sicht ist Appleby ein klassischer Blockierer, der seinen Innovationsdrang in den Mühlen der Bürokratie versickern lässt. Appleby wiederum sieht in Hacker einen eher unfähigen und zugleich (leider) sehr motivierten Politiker, dessen undurchdachte Ideen er möglichst nicht realisiert sehen möchte. Deshalb antwortet er Hacker stets mit einem freundlich-gehohrsamen "Yes, Minister!" und versucht seine Pläne hinter den Kulissen zu sabotieren. Im Spin-Off Yes, Prime Minister steigt Hacker zum Regierungschef auf.

Mit Margarete Thatcher hatte die Serie einen großen Fan in der zeitgenössischen Realpolitik. Bei aller Kritik sollte man ihr zu Gute halten, dass sie eine beachtliche Allrounderin war. So hat sie nicht nur die organisierte ArbeiterInnenklasse in Großbritannien nachhaltig zerstört, sondern auch das Softeis erfunden und nebenbei eine kurze Szene für ihre Lieblingsserie geschrieben. Auch wenn die aufgezwungene Zusammenarbeit mit Thatcher, den an der Serie Beteiligten eher unangenehm war, ist nachvollziehbar, warum ihr die Serie so gut gefallen hat. Auch sie hat sich über weite Strecken als Kämpferin gegen die vermeintlich alles blockierende Bürokratie verstanden. Yes Minister und Yes, Prime Minister stehen der Agenda Thatchers zwar nicht auf politischer Ebene, aber durch ihr Grundnarrativ näher, als es den MacherInnen selbst bewusst gewesen sein dürfte.

Seit Jänner 2013 werden neue Folgen produziert, die auf einer Theateradaption der ursprünglichen Serie basieren. Die Figurenkonstellation blieb gleich - nur die DarstellerInnen des Originals wurden durch jüngere (lebende) SchauspielerInnen ersetzt. Politisch hat sich, außer dass Hacker nunmehr Teil einer Koalitionsregierung ist und sich mit aktuellen Fragen britischer Politik auseinandersetzen muss, wenig verändert. Ob David Cameron schon ein Drehbuch eingereicht hat, ist nicht bekannt.



The New Statesman
1987-1994
ITV, 4 Staffeln, 29 Folgen


Würde man eine Figur mit den Charaktereigenschaften von Ernst Strasser, Karl-Heinz Grasser und Karl-Theodor zu Guttenberg ausstatten, würde immer noch einiges fehlen, um einen Polit-Schurken wie den konservativen Hinterbänkler Alan B'Stard (Rik Mayall) zu kreieren. Er kooperiert mit Faschisten, vergräbt Atommüll unter Grundschulspielplätzen und schneidet politischen Mitbewerbern schon mal kurzerhand die Bremskabel durch, um sich ihrer zu entledigen. Die MacherInnen der Serie waren scheinbar der Meinung, dass man ihm auch noch den sprechenden Namen "B'Stard" geben und eine dementsprechende Catch-Phrase ins Drehbuch schreiben muss, um sein übertrieben unmoralisches Verhalten zu unterstreichen.

Die Hauptfigur ist, obwohl sie von Alternative Comedy Urgestein Rik Mayall sehr unterhaltsam in Szene gesetzt wird, das große Problem der Serie. Alan B'Stard ist so überzeichnet böse, dass seine Eskapaden zwar fallweise witzig sind, von politischer Kritik an Thatchers Großbritannien - obwohl viele Folge auf reale Skandale der Zeit anspielen - nicht mehr wirklich gesprochen werden kann. So erscheinen die anderen konservativen Abgeordneten neben B'Stard naiv, aber vergleichsweise in Ordnung, während er wie das personifizierte Böse aus dem Albtraum linker GewerkschafterInnen daherkommt.



Bemerkenswert an The New Statesman ist - wir befinden uns in den 1980ern! - die Darstellung von Bi- bzw. Transsexualität in der Serie. Über die erste Staffel hinweg wird in einem Nebenstrang die Geschichte einer Transgenderperson erzählt, die ihre geschlechtsanpassende Operation über halblegale Tätigkeiten für B'Stard finanziert. Die Darstellung ist zwar keineswegs unproblematisch - dennoch ist es schade, dass Norman/Norma Bormann (Rowena Cooper) in den späteren Staffeln keine Rolle mehr spielt. Alans Ehefrau Sarah B'Stard (Marsha Fitzalan) betrügt ihren Mann - mit einer Frau. Auch dieser Handlungsstrang wurde jedoch nach der ersten Staffel zugunsten heterosexueller Seitensprünge aufgegeben.

No Job for a Lady
1990-1992
ITV, 3 Staffeln, 18 Folgen


Während bei Yes Minister und The New Statesman Männer im Zentrum der Handlung stehen und Frauen - insbesondere bei Yes Minister - auf Nebenrollen bzw. die Rolle als Hausfrau und Mutter festgeschrieben werden, ging No Job for a Lady (ITV) Anfang der 1990er einen anderen Weg. Die Serie begleitet die frisch ins Unterhaus gewählte Labour Abgeordnete Jean Price (Penelope Keith) und legt den Fokus auf die vielfältigen Hürden, die einer linken Politikerin mittleren Alters im parlamentarischen Alltag in den Weg gelegt werden.

Die patriarchalen Verhältnisse drücken sich nicht nur in den vielen männerbündischen Strukturen, denen sie sich gegenüber sieht und dem beständigen Versuch, sie auf das Thema "Frauenpolitik" festzulegen, aus. Auch durch die auf männliche Bedürfnisse ausgerichtete Architektur des Westminster Palace wird Jean der Umstand unter die Nase gerieben, dass parlamentarische Politik in England jahrhundertelang ein men only business war.

Ästhetisch funktioniert No Job for a Lady sehr ähnlich wie Yes Minister und The New Statesman. Es handelt sich um eine klassische Multi-Camera-Sitcom inklusive eingespielter Lacher. Inhaltlich hebt sie sich jedoch positiv von den beiden erstgenannten Formaten ab und zeigt um einiges realistischer, welche Kämpfe ambitionierte Politikerinnen in der tristen Realpolitik führen müssen - sowohl innerhalb der eigenen als auch gegen die anderen Parteien.



The Thick of It
2005-2012
BBC Four / BBC Two, 4 Staffeln, 24 Folgen


Lediglich eine schwarze Schrifttafel mit dem Namen der Serie wird am Beginn eingeblendet, es gibt keine Titelmelodie und auch sonst wirkt The Thick of It wie ein Dogma-Film, der - aber welcher Dogma Film tut das nicht? - die eine oder andere Dogma-Regel bricht. Die Serie spielt in den Büroräumlichkeiten des vergleichsweise unwichtigen DoSAC (Department of Social Affairs and Citizenship). Weder der Name der regierenden Partei noch der Name des Premierministers wird in der Serie genannt. Trotzdem ist offensichtlich, dass die Serie das Verhältnis von New Labour und Medien zum Inhalt hat.

Das 2009 erschienene Spielfilm Spin-off In the Loop behandelt die britisch-amerikanischen Beziehungen im Vorfeld des Irakkriegs sowie die parteiinternen Differenzen bei Labour. Auch hier wird weder der Parteiname, noch der Name des Premierministers genannt. Hauptfigur des Filmes wie der Serie ist der cholerische Spin-Doctor Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der mit Alastair Campbell ein reales Vorbild hat, das sich jedoch in Tucker nicht adäquat repräsentiert sieht. Auf die Problematik der Malcolm Tucker Figur geht dieser Text ein.



Die US-Serie Veep (HBO) ist an The Thick of It angelehnt. Die Serie spielt im Büro der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, die von Julia Louis-Dreyfus gespielt wird.

Parks and Recreation
2009-heute
NBC, 5 Staffeln, 90 Folgen


Während die bisher genannten Serien in der Sphäre der Spitzenpolitik - oder zumindest an der Peripherie der selben - angesiedelt sind, spielt Parks and Recreation im Stadtgartenamt einer amerikanischen Kleinstadt. Die politischen Konflikte sind aber letztlich ähnliche, wie bei den Großen. Primär geht es um die Frage, ob der Staat soziale Grundaufgaben - im Konkreten Fall die Schaffung und Erhaltung öffentlicher Grünräume - übernehmen soll oder, wie Ron Swanson (Nick Offerman) es ausdrücken würde, am besten alles privatisiert werden sollte, insbesondere das Stadtgartenamt.

Im Zentrum der Serie steht Leslie Knope (Amy Poehler). Sie ist stellvertretende Leiterin des Stadtgartenamtes und möchte gerne erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Einstweilen bestimmen aber noch Probleme wie Hundekot und betrunkene Männer, die in Baugruben fallen, ihren Alltag.

Während sich die erste Staffel hauptsächlich um besagte Baugrube, die in einen Park verwandelt werden soll, dreht, werden in der zweiten Staffel verstärkt gesellschaftspolitische Themen in die Serie eingewoben. Außerdem wird dem Stadtgartenamt ein immer strikterer Sparkurs auferlegt, der die ohnehin geringen Gestaltungsspielräume weiter einengt.

Bemerkenswert an Parks and Recreation ist der Running Gag mit den Wandmalereien im Rathaus, die Gästen nicht ohne ein gewisses Unbehagen gezeigt werden. Die Bilder stellen rassistische, sexistische oder antisemitische Aspekte der Geschichte des Ortes verharmlosend bzw. glorifizierend dar. Ein Zoo, in dem neben einigen Tieren ein traditionell gekleideter Jude in einem Käfig sitzt, Gewalt an Frauen oder die Hinrichtung eines amerikanischen Ureinwohners stehen stellvertretend für die weniger positiven Aspekte der Ortsgeschichte (die Wandmalereien können hier betrachtet werden). Nachdem AktivistInnen eines der Wandgemälde bei einer Aktion zerstören, reagiert Knope mit der Aussage: "We need better security here. We also need better, less offensive history."

Links:
Ten best political sitcoms of all time
Trends in political television fiction in the UK: Themes, characters and narratives, 1965–2009 (PDF)

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