Bei Doctor Who stellt sich die Frage: Welche Folge eignet sich für den Einstieg? Die Erste aus dem Jahr 1963 ist es eher nicht.
Fernsehen 1963 steht mit heutigen Sehgewohnheiten gleich in mehrfacher Hinsicht auf Kriegsfuß. Langsam, Dialoglastig und im Multi-Camera-Verfahren aufgenommen, wirken die Classic Doctor Who Folgen über weite Strecken wie schlecht abgefilmte Sprechtheatervorstellungen mit gelegentlichen Akrobatikeinlagen. Die Classic Ära glänzt mit raren, dafür wenig überzeugenden Special Effects und ist dafür voll mit Alien-Kostümen, die heute nicht einmal auf einem oberkärntner Faschingsgschnas tragbar wären.
Gelungener Neustart
Als Einstieg in das Whonivers bietet sich "Rose", die erste Folge unter der Ägide des Queer as Folk (Channel 4) Drehbuchautors Russell T Davies an. Sie ist so konzipiert, dass sie das Whoniverse einer ZuschauerInnengeneration schmackhaft macht, der die alte Serie nicht mehr geläufig ist. Obwohl die neue Serie, die im Unterschied zu anderen Science Fiction Franchises kein Reboot sondern eine Fortsetzung der alten ist, funktioniert sie ohne Vorkenntnisse. Und mit der Zeit hat sie - zumindest bei mir - ganz von selbst das Interesse an der Classic Who Ära geweckt. Hätte ich mit dem Anspruch begonnen, mir die Serie ab der ersten, 1963 produzierten Folge anzusehen, wäre ich wohl kaum über die erste Staffel hinausgekommen, geschweige denn, hätte ich es bis zur Neuauflage 2005 durchgehalten.
Nach den ersten vier New Who Staffeln begann ich, Teile der alten Serie eher unsystematisch zu schauen. Zunächst das erste Serial "An Unearthly Child", später einige Folgen mit dem 5., 4. und 3. Doctor. Die Auswahl hing zeitweise eng mit der Lektüre wissenschaftlicher Texte über Doctor Who zusammen. Zuletzt erweckte der Sammelband Doctor Who and Race das Interesse für das Serial "The Mutants" (Staffel 9 / Serial 4), das sich als Parabel auf die Apartheid lesen lässt.
Specials als Einstieg
Einen guten Einstieg in Classic Who bieten die Mulit-Doctor-Serials. Anhand von "The Five Doctors" (Staffel 20 / 20th Anniversary Special) lassen sich die eigenen Sympathiewerte für die jeweilige Reinkarnation des Doctors und die Compagnions testen. Je nach Ergebnis kann dann an einem beliebigen Punkt der Serie weiter geschaut werden. Auch "The Three Doctors" (Staffel 10 / 10th Anniversary Special) und "The Two Doctors" (Staffel 22 / Serial 4) lassen - in etwas begrenzterem Rahmen - Doctor-Doctor/Companion-Companion Vergleiche zu.
Wer sich von der alten Serie eine Bebilderung des in der neuen Serie oft erwähnten Time War erwartet, wird enttäuscht werden. Der findet zwischen dem Fernsehfilm 1996 und der neuen Serie statt und war bisher nur in "The End of Time" (Staffel 4 / Folgen 17-18) zu sehen. Weitere Enthüllungen dazu sollen anlässlich des anstehenden 50. Doctor Who Geburtstags in "The Day of the Doctor" folgen. Nachträglich lässt sich dennoch eine Folge der Classic Ära als Beginn des alles verändernden Time War deuten: In "Genesis of the Daleks" (Staffel 12 / Serial 4) schicken die Time Lords den Doctor 4 (Tom Baker) und Companion Sarah Jane Smith (Elisabeth Sladen) mit dem Auftrag in die Vergangenheit, die Entstehung der Daleks zu verhindern oder sie zumindest positiv zu beeinflussen. Die Bilanz ist gemischt, der verhängnisvolle Konflikt und seine Austragung mittels die Vergangenheit verändernder Zeitreisen aber initiiert.
Blick von Außen
Eine andere Möglichkeit ist es, sich der Serie mittels einschlägiger Bestenlisten anzunähern. Häufiger Bestandteil ebendieser sind die Folgen, bei denen Douglas Adams seine Finger im Spiel hatte. Er arbeitete als Drehbuchautor- und -Editor für Doctor Who und war an "The Pirate Planet" (Staffel 16 / Serial 2) und "City of Death" (Staffel 17 / Serial 2) maßgeblich beteiligt.
Ein eher kurioses Projekt startete Neil Perryman vor einigen Jahren. Er sah sich alle Classic Who Folgen noch einmal in chronologischer Reihenfolge an. Nicht alleine, sondern mit seiner Frau Sue Perryman, die sich bis dahin nicht sonderlich für Doctor Who interessierte. Auf Adventures with the Wife in Space dokumentiert Neil, wie Sue auf die alte Serie reagiert. Ihre Anmerkung sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich. Nicht zuletzt wenn es um Streitfragen geht, die innere Logik und Kanonität im Whoniverse betreffen. Ist der Doctor nun halb Mensch/halb Time Lord, wie im 1996er Fernsehfilm (und in keiner anderen der über 800 Folgen) behauptet? Sue und Neil diskutieren es aus. Er als Stellvertreter des Doctor Who Fandoms und sie als unvoreingenommene Erstbetrachterin. Sues Wertungssystem erleichtert den LeserInnen die Auswahl der Folgen und ihre ironischen Kommentare sind in der Lage all jenen (Wahnsinnigen) über die Zeit zu helfen, die trotz dieses Artikels vorhaben, sich Doctor Who von der ersten bis zur aktuellen Folge chronologisch anzusehen.
Es stimmt schon, dass es nicht zu empfehlen ist, mit Folge 1 einzusteigen. Was mir aber fehlt, ist der Hinweis, dass die alten Folgen - trotz schlechter Ausstattung - zum Teil wirklich gute Geschichten erzählen. Technisch war damals eben noch nicht so viel möglich wie heute - aber inhaltlich ist "Classic Who" nicht weniger bemerkenswert als "New Who". Man muss sich halt drauf einlassen...
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