Dienstag, 17. März 2015

Die BDS Bewegung und die antisemitischen Bilder von Carlos Latuff (3): Das Kapital und die USA

Im dritten und letzten Text über die Karikaturen von Carlos Latuff geht es um Zeichnungen, die sich nicht explizit mit Israel befassen. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist inwiefern Latuffs antisemitisches Weltbild auch in diesen Karikaturen zum Ausdruck kommt.

Die BDS Bewegung und die antisemitischen Bilder von Carlos Latuff (1): Karikaturen über Israel
Die BDS Bewegung und die antisemitischen Bilder von Carlos Latuff (2): Karikaturen über Israel und die Shoah

Die USA

Betrachtet man das künstlerische Schaffen Latuffs abseits seiner "Israelkritik", fällt eine durchgehende Dämonisierung der USA auf, die mitunter verschwöhrungsideologischen Charakter annimmt. Das geht so weit, dass Latuff die Schweinegrippe als Attacke der USA auf Mexiko zeichnet (Abbildung 20). Auch die auf Abbildung 21 aufgestellte Behauptung, George Bush und Fox News würden, finanziert mit Öleinnahmen, die USA zu einem faschistischen Staat machen, trägt verschwörungstheoretische Züge. Ein sehr vereinfachtes und auf die Schaffung von Feindbildern konzentriertes Weltbild, kommt auch in Abbildung 22 zum Ausdruck. Auf dieser aus dem Jahr 2008 stammender Karikatur wird Barack Obama von George Bush als neuer Weltherrscher inthronisiert. Dabei krönt Bush Obama mit einer den Schriftzug "Imperialism" tragenden Krone, die er in blutigen Händen hält.

Führt Latuff das Schlechte in der Welt einmal nicht auf Israel zurück, können seiner Logik folgend nur die Vereinigten Staaten von Amerika verantwortlich sein. Anstelle einer grundlegenden Staats- und Herrschaftskritik werden manche Staaten - wie etwa die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre politischen RepräsentantInnen - als besonders kapitalistisch dargestellt. Betrachtet man die Zeichnungen im Kontext des Gesamtwerks von Latuff, fallen Parallelen zu einem antisemitisch geprägten Blick auf, den er mit vielen AntiimperialistInnen teilt. Sie sehen wie Latuff in Israel den kleinen und in den USA den großen Satan.

Das Kapital

Mehrere Karikaturen von Latuff beschäftigen sich mit der aktuellen Wirtschaftskrise und nehmen damit unter anderem bildlich auf Karl Marx Bezug. Die Darstellung von Marx als Wahrsager mit Glaskugel (Abbildung 23) lässt auf eine eher verkürzte Rezeption der Kritik der politischen Ökonomie schließen. So groß scheint die Verwunderung bei Latuff darüber zu sein, dass Marx bereits die Krisen seiner Zeit zu analysieren wusste, dass er die aus der Analyse folgenden Erkenntnisse nur esoterisch erklären kann. Wenig überraschend folgen viele Karikaturen Latuffs zur Krise der traditionell antisemitischen Aufspaltung in vermeintlich schaffendes und vermeintlich raffendes Kapital.

Latuffs Kapital-Rezeption - oder das, was er als solche behauptet - führt ihn zu einer einseitigen Kritik des Finanzkapitals und des Geldes, die er antiamerikanisch grundiert, wie auf Abbildung 24 und Abbildung 25 zu erkennen ist. Auf Abbildung 24 wird die Krise als ein Dollarzeichen, das an einen fallenden Engel erinnert, dargestellt. Abbildung 25 zeigt einen mutmaßlichen Manager mit USA-Krawatte mit einem Koffer voll mit Dollarscheinen, der von einer übermenschengroßen Ausgabe von "Das Kapital" erschlagen wird.

Was gesagt werden sollte

Ein wesentlicher Bestandteil von linkem Antisemitismus ist die Personifizierung gesellschaftlicher Verhältnisse. Statt das Kapitalverhältnis und die Selbstverwertung des Werts zu kritisieren, werden Sündenböcke gesucht und nur allzu oft in vermeintlich "raffgierigen Spekulanten" oder "skrupellosen Managern" gefunden. Spätestens seit dem Aufkommen der globalisierungskritischen Bewegung an der Wende zum 21. Jahrhundert, erfreut sich die bereits von den Nazis betriebene Teilung des Kapitals in ein vermeintlich "schaffendes" und ein vermeintlich "raffendes" wieder zunehmender Beliebtheit in der Linken. In den kommenden Tagen trifft sich der radikalere Teil davon, um in Frankfurt gegen ein Bankgebäude zu demonstrieren. Darunter auch Bündnisse und Gruppen, die es eigentlich besser wissen müssten.

Die Blockupy-Slogans konzentrieren sich wie die Latuff-Karikaturen in falscher Weise auf die Zirkulationssphäre, während die Produktionssphäre unbehelligt bleibt. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno kritisieren die Vorstellung von einem guten, weil "schaffenden" Produktionskapital versus eines bösen, weil "raffendem" Finanzkapital bereits in der Dialektik der Aufklärung - nicht zufällig im "Elemente des Antisemitismus"-Kapitel. Der Kaufmann tritt in der Tauschgesellschaft, schreiben Horkheimer und Adorno, zwar als Gerichtsvollzieher für das gesamte System auf, er präsentiert den Lohnabhängigen aber lediglich den Wechsel, den sie zuvor dem Fabrikanten unterschrieben haben. "Die Verantwortlichkeit der Zirkulationssphäre für die Ausbeutung ist gesellschaftlich notwendiger Schein".[1] Was Latuff oder Blockupy unter Kaptialismuskritik verstehen, ist also nicht nur verkürzt, sondern überhaupt keine Kapitalismuskritik. Those who want to face the players should look in the mirror.

Latuff ist unter den linken AntisemitInnen dieser Welt sicher einer der extremsten. Die Denkstrukturen, die sich bei Latuff antisemitisch konkretisieren, werden aber erschreckenderweise von vielen Linken - zuweilen sogar von sich antisemitismuskritisch verstehenden - und auch beträchtlichen Teilen des zivilgesellschaftlichen Mainstreams in Deutschland und Österreich geteilt.

Quelle:
[1] Max Horkheimer / Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosphische Fragmente, Frankfurt: Suhrkamp 2003 S. 183

Abbildungen:


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