Freitag, 8. Mai 2015

Österreich, du Opfer! Was orf.at zum Tag der Befreiung einfällt

"Wiederaufbau im Zeichen des Hungers" ist ein Artikel betitelt, der am 8. Mai 2015 auf der Homepage des ORF veröffentlicht wurde.


"Im vom Krieg schwer beschädigten Land standen zunächst der Hunger und die Angst vor einer unsicheren Zukunft an der Tagesordnung", wird die LeserIn gleich zu Beginn des Textes informiert. Aber am Schlimmsten scheint gewesen zu sein, dass es "nicht nur [galt], die eigene Bevölkerung zu ernähren. Im Mai 1945 befanden sich in Österreich neben etwa sechs Millionen Einheimischen etwa 1,65 Millionen Flüchtlinge, 'Displaced Persons'." Man hat diese nunmehr wieder zu einheimischen österreichischen StaatsbürgerInnen mutierten OstmärkerInnen also gezwungen, das Essen mit den Menschen teilen, die sie nicht rechtzeitig ermorden konnten. Schrecklich! Wenig überraschend wurden "die Alliierten [...] von vielen Österreichern schon bald nicht mehr nur als Befreier, sondern als Besatzer gesehen." Mutmaßlich nicht zuletzt von den ÖsterreicherInnen, die 1938 massenhaft Hitler zujubelten. "Zudem beschlagnahmten die Alliierten in Österreich alles, was sie als deutsches Eigentum sahen." Nicht nur orf.at Autor Franz Hollauf sondern auch die frischgebackenen ÖsterreicherInnen des Jahres 1945, die ihr Österreich bis vor kurzem selbst noch als deutsches Eigentum sahen, hatten damit verständlicherweise Probleme.

Aufarbeitungsweltmeister Oliver Rathkolb, dessen akademische Karriere darauf fußt, verlässlich zur Stelle zu sein, wenn es darum geht, österreichische Institutionen im Umgang mit ihrer NS-Vergangenheit zu beraten, darf natürlich nicht fehlen. Seine Form der Aufarbeitung kommt PR-Arbeit gleich. Letztlich gehen die Institutionen dank ihm gestärkt aus ihrer jahrzehntelangen Verdrängungsarbeit hervor, während das, was Aufarbeitung der Vergangenheit eigentlich bedeuten müsste, auf der Strecke bleibt.

Der Artikel gesteht zumindest ein: "Trotz der zahlreichen Zerstörungen durch die alliierten Bombenangriffe blieb die industrielle Infrastruktur, zum Beispiel mit den Reichswerken Hermann Göring, der späteren VOEST in Linz, bestehen und konnte unter anderem durch die Marshall-Plan-Investitionshilfe aus den USA nachhaltig umgerüstet werden." Rathkolb widerspricht: "Ostösterreich und Teile Wiens hingegen litten unter den russischen Requirierungen als Kompensation für die Kriegsschäden in der Sowjetunion". Die Russen, die waren besonders böse - "pro Person gerade einmal 20 dag Bohnen, 20 dag Erbsen, fünf dag Speiseöl, 15 dag Fleisch und 12,5 dag Zucker" hätten sie der armen, ausgebombten österreichischen Bevölkerung zukommen lassen. "Selbst Salz war im Mai 1945 eine Rarität. Süßwaren und Zigaretten waren nur im Schwarzhandel erhältlich", klagt Rathkolb. Nicht zu vergessen die "extrem harten Arbeits- und Überlebensbedingungen in ihren Kriegsgefangenenlagern" und Rathkolb meint nicht die deutschen, sondern die sowjetischen. Was er unter Härte versteht, erläutert er im nächsten Satz: "Während viele Soldaten in den Lagern der Westmächte relativ rasch wieder zurückkehrten, fanden die ersten Rückkehrertransporte aus der Sowjetunion erst ab 1947 statt". Also etwas mehr als zwei Jahre Haft für 6 Jahre Vernichtungskrieg...

Am postnazistischen Siegeszug der Opferthese sind im Artikel nicht österreichische AkteurInnen, sondern primär die Alliierten schuld. "Nur zögerlich, ab Herbst 1945, nahmen sich die Alliierten der Entnazifizierungen an." Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb bestätigt und findet gleich noch mehr Opfer: "Auch die Alliierten verstärkten das Opferbewusstsein der Österreicher, da alle Personen, die vor dem 13. März 1938 deutsche Staatsbürger waren, von Österreich nach Deutschland abgeschoben wurden, wobei häufig Familien zerrissen wurden".

Es wäre nicht Oliver Rathkolb, stünde am Ende des Textes kein O-Ton wie dieser: "Auch wenn die Zeit der alliierten Präsenz schließlich zehn Jahre dauerte und es erst 1955 zum Staatsvertrag kam, wurde schon in den Mai-Tagen 1945 die Basis für die Souveränität Österreichs gelegt. Und zwar mit dem klaren Bekenntnis aller damals handelnden Personen zur Wiedererrichtung eines freien und demokratischen Staates“. Die Institution Österreich geht wieder einmal gestärkt aus der Sache hervor. Dennoch belegt sie nur den zweiten Platz unter den zentraleuropäischen AufarbeiungsweltmeisterInnen - so wie Oliver Rathkolb nur den zweiten Platz hinter Guido Knopp innehat.

Danke an @koalakatze für den Hinweis auf den Artikel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen