Der kürzlich in ZEIT Campus erschienene Text "Warum ich Star Trek Kommunistin bin" von Laura Meschede fordert ein Ende der vermeintlichen Alternativlosigkeit: "Wir hatten eine schöne Zeit mit Geld und Privateigentum. Aber jetzt ist es Zeit, sich zu verabschieden." Das "Geld und Privateigentum" explizit genannt werden, der Staat aber in der Kritik weitgehend außen vor bleibt, begründet die Schwäche der weiteren Analyse. Sowohl der von Star Trek, als auch der des dort vermuteten und von der Autorin in ähnlicher Form herbeigesehnten "Star Trek Kommunismus".
"In der Star-Trekschen Zukunft gibt es keine Konkurrenz mehr und auch kein Geld", schreibt Meschede und irrt. Konkurrenzkämpfe sind ein wiederkehrendes Thema im Star Trek Universum - sowohl jene um Karrieren und Ressourcen als auch die um potentielle SexualpartnerInnen. Die Sache mit dem Geld mag zwar auf den Mikrokosmos des jeweiligen Raumschiffes in Star Trek: The Original Series, Star Trek: The Next Generation und Star Trek: Voyager zutreffen. Wer über Kommunismus bei Star Trek schreibt, sollte aber über Star Trek: Deep Space Nine nicht schweigen. Denn während "Kirk kaum ein Wort über Ökonomie verliert [...] und Picard vielleicht am ehesten für die Utopie einer nicht-kapitalistischen Gesellschaftsordnung stehen könnte, muss Sisko eindeutig Position beziehen - auf seiner von der Föderation verwalteten Station dominiert immerhin (entgegen früheren Versicherungen) Marktwirtschaft", so Karin Lederer (die verwendete Literatur ist am Ende des Textes aufgelistet).
Hoch die interplanetarische Solidarität?
In Meschedes ZEIT Text heißt es weiter, "die Weltregierung" in Star Trek fühle sich "für alle gleich zuständig". Tatsächlich ist über die politische Organisationsform der Föderation aber nur relativ wenig bekannt. Das Star Trek Wiki Memory Alpha weiß, dass es sich bei der Föderation um ein "föderales System [handelt], wobei jede Mitgliedswelt einen Abgesandten abstellt, die alle zusammen genommen den sogenannten Föderationsrat bilden, an dessen Spitze der Föderationspräsident steht". Die FöderationspräsidentIn ist RegierungschefIn, kann das Kriegsrecht ausrufen und hat den Oberbefehl über die Sternenflotte - viel Macht in den Händen einer Person. Wie die einzelnen Mitglieder des Föderationsrats jeweils entsendet werden, ob demokratisch oder anders, bleibt weitgehend im dunklen. Herauslesen lässt sich aber, dass wir es bestenfalls mit einem sehr rigiden Mehrheitswahlrecht zu tun haben, in dem die Stimmen der einzelnen WählerInnen höchst unterschiedlich gewichtet werden. Denn die vielen Planeten haben mutmaßlich unterschiedlich viele EinwohnerInnen.
Dass die Föderation sich nicht wie behauptet "für alle gleich zuständig fühlt", lässt sich an ihrer Außenpolitik ablesen. Deren Grundlage ist die oberste Direktive ihres bewaffneten Arms, der Sternenflotte, in der das Prinzip der Nicht-Einmischung in Prä-Warp Zivilisationen festgeschrieben ist. Das kann dann schon mal dazu führen, dass Zivilisationen ihrer selbst-, fremd- oder durch Umweltkatastrophen verursachten Auslöschung überlassen werden. Interplanetarische Solidarität gibt es nur für manche.
Pro Replikator!
Meschedes Text weißt zu Recht auf die Potentiale hochtechnisierten Planwirtschaft hin. Zugleich greift die Autorin aber einen Vorschlag auf, wonach man die Menschheit in drei Gruppen einteilen sollte: "Gruppe A: superproduktiv. Gruppe B: durchschnittlich produktiv. Und Gruppe C: nicht so produktiv." Entlohnt wird nicht mit Geld, sondern mit einem Arbeitszeit-Äquivalent. Letztlich handelt es sich dabei um eine Fortschreibung der Leistungsgesellschaft. Nur dass sich Leistung dann eben wirklich - und nicht nur als Teil des notwendig falschen Bewusstseins - wieder lohnt. Kommunistisch ist das aber nicht und selbst hinter das nicht wirklich kommunistische Star Trek Franchise fällt diese Forderung noch zurück. Denn der Replikator fragt niemanden, was er oder sie leistet. Er produziert nach dem verbalisierten Bedarf derer, die ihn Bedienen und das ist sehr kommunistisch von ihm.
Meschede schreibt: "Wie genau der Kommunismus aussieht, wenn er fertig ist, weiß ich nicht. Nicht einmal Karl Marx hat das im Detail beschrieben." Aus gutem Grund - birgt das detaillierte Entwerfen von Utopien vom Standpunkt einer auf Ausbeutung und Herrschaft basierenden Gesellschaft doch die Gefahr in sich, Teile dieser schlechten Gesellschaft auch in der Utopie ungewollt fortzuschreiben. Genau das passiert auch bei Star Trek, wo die Gesellschaft immer noch eine hierarchisch gegliederte ist, die ihre Spitzenpositionen zumeist weiß und männlich besetzt. Weil die genannten einfach mehr leisten (können)? Oder weil eine emanzipierte Gesellschaft eben doch (und gerade deshalb) eine ganz andere sein müsste?
"Bei den von Fans als utopisch wahrgenommenen Elementen der Star-Trek-Erzählung handelt es sich zumeist lediglich um Verlagerungen eines positiv verklärten Ist-Zustandes in die Zukunft", heißt es in einem Aufsatz zu Star Trek, der im Sammelband How I Got Lost Six Feet Under Your Mother. Ein Serienbuch erschienen ist. Was hingegen Kommunismus bedeuten könnte, lässt sich am besten negativ, in Abgrenzung zur herrschenden Gesellschaft und nicht in ihrer kulturindustriellen Fortschreibung als vermeintliche Utopie, bestimmen. Für Marx hieße das, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". Theodor W. Adorno geht etwas mehr ins Detail und schreibt: "Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren. Sie sollte statt dessen auf die schlechte Gleichheit heute, die Identität der Film- mit den Waffeninteressenten deuten, den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann." Und es wäre tatsächlich spannend, zu diskutieren, inwieweit diese Dinge in Star Trek eine Rolle spielen und inwieweit nicht.
Verwendete Literatur:
Theodor W. Adorno, "Melange", in: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Gesammelte Schriften 4, Suhrkamp: Frankfurt 1997.
Karin Lederer, "Die Ferengi. Kaufleute, Geldverleiher und Profit-Geier au der Fernsehserie Star Trek: Deep Space Nine. Eine kommunikationswissenschaftliche Untersuchung zum Einsatz antisemitischer Stereotype und Mythen in 'multikultureller' Science Fiction", Diplomarbeit: Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Universität Wien 2001.
Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, 1844.
Florian Wagner, "Geschlecht – Geschichte – Utopie: Emanzipation im Star Trek Franchise", in: How I Got Lost Six Feet Under Your Mother. Ein Serienbuch, Zaglossus: Wien 2013.
Ebenfalls lesenswert und erkenntnisreich ist in diesem Zusammenhang:
Andrea zur Nieden, Geborgte Idenität. Die kulturindustrielle Verwertung des technologisierten Subjekts, ca ira: Freiburg 2003. [mit einem eigenen Kapitel zu "Ökonomie und Politik im 24. Jahrhundert"]
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