Call for Papers - Eurovision Song Contest: Eine kleine Geschichte zwischen Camp, Trash, Geschlecht und Nation
Der Eurovision Song Contest (ESC) wird seit 1956 jährlich von der Europäischen Rundfunkunion ausgerichtet. Die Veranstaltung resultiert aus dem Anspruch, Musiker_innen aus bis vor Kurzem verfeindeten Staaten, im Rahmen eines TV-Unterhaltungsformats zusammenzuführen und ein europäisches Gemeinschaftsgefühl zu stiften.
Obwohl im Reglement des ESC ein striktes Verbot politischer Botschaften festgeschrieben ist, gehen wir von der Annahme aus, dass es sich um eine eminent politische Veranstaltung handelt. Politik als Verhandlung von Machtverhältnissen - vor allem auch im ästhetischen Raum - zu begreifen, ist Ausgangspunkt des Bandes.
Kritisch zu untersuchen wäre sowohl der Gründungsmythos in der frühen Phase des Postnazismus als auch die veränderten Formen nationaler und vergeschlechtlichter Repräsentation.
(Selbst-)Ethnisierungspraktiken im Widerspruch zu Popkultur als internationales Phänomen könnten Gegenstand der Beiträge sein - ebenso wie das Spannungsfeld zwischen europäischer Einheit und Regionallismus. Interessante Dynamiken werden freigesetzt, wenn internationaler Pop auf nationale/regionale Folklore-Elemente trifft. Welche das genau sind, wäre in den einzelnen Beiträgen zu klären. Neuverhandlungen von Geschlecht und Sexualität sowie (Retro-)Sexismus und Inszenierungen überkommener Geschlechterrollen sind gleichermaßen Bestandteil des Bewerbs. Ein Spannungsfeld, das zu untersuchen uns lohnend erscheint.
Die realpolitische Verfasstheit Europas spiegelt sich auf verzerrte Weise im als apolitisch postulierten ESC wieder. Der Zusammenbruch der Sowjetunion, das Ende Jugoslawiens, des real existierenden Sozialismus und damit einer zumindest in Ansätzen existierenden Systemkonkurrenz schlug sich im ESC nieder und veränderte ihn nachhaltig.
Die Einführung des Televotings stellte sich als zusätzlicher Motor für eine Ästhetik der Überschreitung heraus. Es folgte eine verstärkte Integration von Pyrotechnik, Akrobatik bis hin zu Zaubertricks in die Darbietungen. Das neue Wertungsverfahren heizte nationalistische Debatten über vermeintliche Voting-Allianzen an, die in Deutschland und Österreich breit, nicht selten verschwörungsideologisch unterfüttert und fast immer in selbstmitleidigem Opfer-Jargon geführt wurden.
Auf Ebene der Ästhetik ist uns nicht zuletzt eine Abgrenzung von Camp und Trash im Kontext des ESC ein Anliegen. Welche subversiven Räume durch das per Regelment beförderte Setting "große Geste/enger Raum/wenig Zeit" geöffnet werden, bietet sich als Fragestellung an. Interessant wäre eine kritische (re-)Lektüre von Paratexten zum Eurovision Song Contest. Dazu zählen nicht ernst gemeinte Beiträge von Songcontestteilnehmer_innen ebenso wie alternative TV- und Radio-Kommentare und nicht zuletzt die zunehmende Tendenz zur ironischen (Live-)Kommentierung im Netz. In diesem Zusammenhang würde uns auch der sich auftuende Rezeptionsgap zwischen einer Ironisierung des eigenen Konsumverhaltens zum einen und dem Ernst nehmen des Gezeigten inklusive Angst vor Beschädigung des Ansehens der (jeweils eigenen) Nation interessieren.
Formales und Organisatorisches
Der Abstract sollte nicht länger als eine A4 Seite sein und einen Eindruck über Fragestellung(en) und Thesen vermitteln. Wir streben ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis unter den Autor_innen an und wollen Frauen* explizit zur Einreichung von Konzepten ermutigen. Abstract und Beiträge sollen in geschlechtergerechter Sprache formuliert werden, wobei die konkrete Form der Umsetzung (Binnen-I, Gender_Gap, ...) den Autor_innen überlassen bleibt.
Deadline für die Einreichung von Abstracts ist der 6. Juli 2014 (bitte per Mail an christine.ehardt@univie.ac.at schicken). Wir freuen uns auf Eure Konzepte!
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