Donnerstag, 8. November 2012

Ein paar Gedanken zu Braunschlag

Würde ich auf Braunschlag (ORF eins) ähnliche Kriterien anwenden, wie auf manch andere Serie, die auf diesem Blog behandelt wird, liefe das tendenziell auf einen Verriss hinaus. Es scheint notwendig zu sein, österreichische Serien, - wie Beate Hausbichler auf Twitter im Zusammenhang mit Braunschlag meinte - anders zu bewerten, um sich produktiv mit ihnen beschäftigen zu können (ähnlich wie man dazu tendiert, jenseitige Aussagen eines Vierjährigen anders zu bewerten, als die eines Vierzigjährigen).

Zunächst das Positive: Braunschlag ist lustig. Manchmal auf subtile, manchmal auf platte Art. Gar nicht so selten überschneidet sich beides, also sowohl der subtile als auch der Brechstangenhumor, was ich als besonders gelungen bezeichnen würde. Die gesellschaftlichen Verhältnisse in Regionen, in denen die ÖVP noch an der Macht ist, werden drastisch, aber - und ich habe diesbezüglich familiär bedingt etwas Einblick - sehr wirklichkeitsnah dargestellt.

Positiv lässt sich auch anmerken, dass alle wichtigen Frauenfiguren - am stärksten wohl Herta Tschach (Maria Hofstätter) - im Verlauf der Serie eine Entwicklung durchmachen und nicht nur als Feedline-LieferantInnen für Männer fungieren. Vergleichsweise viele Punchlines hat David Schalko Elfie Pfeisinger (Nina Proll), Barbara Tschach (Sabrina Reiter) und der nachnamenlosen Magd Silke (Adina Vetter) in das Drehbuch geschrieben. Trotzdem wären die Präsenz der Frauen und insbesondere Interaktionen zwischen den Frauen, die sich nicht um Männer drehen, ausbaufähig (der Bechdel-Test lässt grüßen).

Ziemlich problematisch finde ich die Darstellung des schwarzen Pfarrers (David Wurawa). Er wird als wandelndes Klischee gezeichnet und primär durch schlechte Deutschkenntnisse und Angst vor Voodoo charakterisiert. Es findet keine nennenswerte Figurentwicklung im Laufe der Serie statt. Zur Frage, ob eine antirassistische Intention die Verwendung rassistischer Sprache oder rassistischer Bilder rechtfertigt, gab es auf diesem Blog schon mehrere Beiträge. Die Diskussion über das N*-Wort in der Disco von Braunschlag endet mit einer Verurteilung des Selbigen. Ich frage mich aber, ob die Szene nicht trotzdem auch für RassistInnen funktioniert (und zwar in einer "Ha, Ha, er hat das N-Wort gesagt und der abgehalfterte Bürgermeister will es ihm verbieten!"-Logik)

Es ist schade, dass schwarze SchauspielerInnen im Jahr 2012 noch immer primär dann zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, Rassismus aufzuzeigen. Es wäre an der Zeit, Diversity - in jeder Hinsicht - nicht zur thematisierenswerten Ausnahme, sondern zur Regel zu machen.

Trotztdem habe ich den Eindruck, dass es Braunschlag - für österreichische Verhältnisse! - relativ gut macht. Es gibt zumindest einen wiederkehrenden schwarzen Schauspieler sowie ein schwarzes Mädchen, mit einem zwar etwas jenseitigen, aber wirklich amüsanten Kurzauftritt. Eine Frau, die im Rollstuhl sitzt, ist in österreichischen Serien auch keine Selbstverständlichkeit[**]. Sie wird, im Unterschied zu den schwarzen DarstellerInnen, die primär bzw. im Fall des Mädchens ausschließlich durch ihre Hautfarbe definiert werden, nicht durch ihre Behinderung definiert.

Mein Fazit: Braunschlag ist ein erster kleiner Schritt in eine richtigere Richtung, dem weitere - hoffentlich größere Schritte - folgen sollten.
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Anmerkungen:
*ich verwende hier den Euphemismus "N-Wort", weil ich rassistische Begriffe nicht reproduzieren möchte. Das passiert ohnehin schon genug und die LeserInnen wissen auch so, was gemeint ist.
** Auch wenn es bereits in den 1970ern - man denke an den von Walter Davy gespielten Paul Schremser aus Kottan ermittelt (FS 1) - eine durchaus fortschrittliche Darstellung von Behinderung in einer österreichischen Serie gab. Er wird ebenfalls nicht über seine Behinderung definiert.


1 Kommentar:

  1. Ich finde deinen Kommentar sehr gut. Was du aber zu erwähnen vergessen hast ist, dass der Pfarrer von Braunschlag zwar schlecht deutsch spricht, dafür aber sehr gut italienisch.(Siehe Telefonat mit dem Vatikan wg dem "Wunder")
    Mensch könnte die Figur also auch so lesen, dass aufgrund des Pfarrermangels und als Pfarrer kannst du dir meines Wissens deine Gemeinde auch nicht aussuchen einfach irgendwer zum Handkuss kommt.
    Bei Satiren ohne Klischees und Stereotypen zuarbeiten oder in diese Zwangsläufig zu verfallen ist nicht immer so einfach. Dazu kommt noch, dass die (unbewusste) Erwartungshaltung des_der Zuschauer_in auch den Blick einschränken. Selbst wenn Figuren breiter angelegt sind wird oft das Verhalten mehr gesehen wird welches unsere stereotypen Vorstellungen egal in welche Richtung und egal ob nun über eine sogenannte bestimmte Gruppe oder über den_die Produzent_in des Werks entspricht.

    Prinzippiell aber bin ich der Meinung, dass wir in den Medien, gerade auch in Satiren mehr als nur die üblichen Zutaten einheimische Männer entweder Jugendlich oder mittleren Alters haben Probleme, die lustig gelöst werden oder in der Katastrophe enden, während Frauen, Migrant_innen usw. nur Stichwortgeber_innen und Randfiguren sind.

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